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Das Fitnessprogramm, Teil 4

Das Fiasko mit dem Heimfahrrad stürzte die Liebste und mich in tiefste Verzweiflung. Wir schlichen gramgebeugt durch die Gegend und versuchten uns damit abzufinden, dass wir wohl auf immer und ewig zu den blauen Leberwurstschlaffis gehören würden.


Doch die Kunde, dass wir fit und fittiger werden wollten, hatte sich bereits in unserem FreundInnenkreis herumgesprochen, und wir konnten uns kaum noch vor hilfsbereiten Angeboten und Ratschlägen retten.

A bot ihren Stepper an. »Ein wirkliches tolles Gerät«, schwärmte sie uns vor. Die Tatsache, dass dieses tolle Gerät schon seit drei Jahren in ihrem Keller einstaubt, erwähnte sie nur so nebenbei.

B schwor auf Seilspringen. Das mache sie schon seit Jahren. »Jeden Morgen und Abend eine Viertelstunde«, erklärte sie keuchend, während sie mit hochrotem Kopf neben mir die Treppe in vierten Stock hochstieg.

C hielt mehr von Hanteln und krempelte gleich seinen Pullover hoch, damit wir die Muskelpracht seiner gestählten Männerbrust und Oberarme auch richtig bewundern konnten. Wir schlugen die Augen nieder und wandten uns angewidert ab.

D geht schon seit Jahren regelmäßig ins Fitnessstudio. Trotzdem hat sie fatale Ähnlichkeit mit dem kleinen Vampir vor einer Mahlzeit und verlangt alle drei Wochen Besuche an ihrem Krankenlager.

E erklärte, dass wir die Sache sowieso ganz falsch angingen. »Körperliche Fitness erreicht frau nur durch mentales Training«, sagte sie und gab uns die Adresse ihrer Therapeutin.

F nutzte die Gelegenheit für einen ihrer gefürchteten Vorträge über die Gefährlichkeit des Rauchens.

G empfahl Rudern, was H wiederum für hirnrissig hielt, weil sie vor Jahren beim Rudern beinah ertrunken wäre.

I, J, K, L und M waren in diversen Sportvereinen aktiv und wollten durch uns die Vereinskasse aufstocken.

N grinste nur und erinnerte an Churchill: »No sports«.

Am besten gefiel uns da noch Omas Tipp, den sie gerade in einer ihrer goldgelben Zeitungen gelesen hatte. Die Fürstin von und zu und weg verdankte ihr jugendliches Aussehen allein der Chemie und strahlte zum Beweis betörend fit von einigen Fotos.

Wir beschlossen, auf Oma zu hören. Schließlich ist sie bereits uralt, war bei der Einweihung des Mannheimer Sportstadions 1924 die Schnellste und noch mit 75 Jahren als Turnwartin aktiv. Wenn sie keine  Expertin für Fitness war, wer dann?

Nach gründlichem Studium des Artikels über die Fürstin machte die Liebste sich auf den Weg in die nächste Apotheke und kam mit zwei Jutetaschen voll Schachteln, Dosen und Fläschchen zurück. Magnesium, Eisen, Vitamine von A-Z, Carnitin, Molke, nur um mal die wichtigsten Dinge aufzuzählen. Und nicht zu vergessen: eine Tube Selbstbräunungscreme.

Am nächsten Morgen nach dem Duschen rieb ich meinen Körper mit der Creme genau nach Anweisung schön gleichmäßig von oben bis unten ein. Zum Frühstück gab es statt Brötchen, Ei und Kaffee eine Suppentasse voll bunter Pillen und ein Glas milchiger Flüssigkeit. Um acht verließ die Liebste das Haus. Um neun kam sie wieder, kalkweiß im Gesicht, stöhnte: »Mir ist sooo schlecht!« und verschwand im Bad. Mir wurde erst eine halbe Stunde später übel. Ich legte mich ins Bett und schlief ein.

Wieder wach wurde ich von dem Entsetzensschrei meiner Liebsten »Wie siehst du denn aus???« Verwundert betrachtete ich meine Arme und Beine. Dann sprang ich aus dem Bett und besah mich im Spiegel. Im Schlaf war ich zu einem gefleckten Alien in ungefähr zehn verschiedenen Braunschattierungen mutiert. Die Liebste sprach mir Trost zu und versicherte, dass sie mich trotzdem lieben würde. Auch wenn sie sich nun nicht mehr mit mir in der Öffentlichkeit zeigen könne. Angesichts dieses Zuspruchs blieb mir nur eins: Ich trat ihr gegen das Schienbein. Dann stellte ich mich unter die Dusche. Doch hier hielt die Creme wie auf der Packung versprochen …

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Wer hat Interesse an einer Selbsthilfegruppe für blaue Leberwurstschlaffis? Pizza und Kartoffelchips werden von uns spendiert.

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