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Das sollen die Heteras mal unter sich ausmachen

Am Wochenende konnte ich endlich mal wieder länger mit einer Freundin in Norddeutschland telefonieren. Wie üblich kam irgendwann die halb scherzhaft, halb ernst gemeinte Frage: »Wollt Ihr nicht doch in den Norden ziehen? Hier ist es viel schöner als im Odenwald.«

»Na ja«, antwortete ich. »Nachdem neulich im Bremer Weserkurier mein Name erwähnt wurde, sollte ich vielleicht anfangen, darüber nachzudenken.«

Die Freundin weiß nicht, wovon ich rede. Die ganze Schröder-Schwarzer Diskussion der letzten Woche war an ihr vorbeigerauscht. Erst als ich ihr erzähle, dass es die Worte Feminismus/Feministin auf die Titelseite der Rhein-Neckar-Zeitung geschafft hatten, sieht sie ein, eventuell etwas Wichtiges verpasst haben zu können. Trotzdem meint sie: »Du weißt doch, mich öden diese Debatten einfach nur noch an. Ich habe einfach keine Lust mehr, alle paar Jahre wieder in Variationen darüber zu lesen.«

Sie ist Anfang 50, lesbisch, Mutter von drei erwachsenen Kindern und arbeitet im Qualitätsmanagement/Pflege. Früher hatte sie die TAZ, die Emma und auch die L-Mag abonniert, heute liest sie keine drei Zeitungen mehr. Das Internet nutzt sie meist nur beruflich und der einzige Blog, den sie wenigstens dem Namen nach kennt, ist die Karnele.

Zwei Tage vorher habe ich von einer anderen (lesbischen) Freundin, die im tiefsten Bayern lebt, Ähnliches gehört. Die Sozialpädagogin, seit beinah zwanzig Jahren in der Mädchenarbeit tätig, ist bereits lange der Meinung, dass sämtliche Diskussionen über den Feminismus an der Realität vorbeigehen. Sie ist schon froh, wenn »ihre Mädchen« wenigstens mal darüber nachdenken, ob die Männer vielleicht auch für die Verhütung Verantwortung übernehmen sollten.

»Wir sehen es als Erfolg, wenn wir die jungen Frauen ohne Schwangerschaft über das 18. Lebensjahr bringen, und sie wenigstens irgendeinen Berufsabschluss machen«, erklärt sie mir nicht zum ersten Mal. Als »Bürgerliches Mittelschichtgelabere« bezeichnet sie die Diskussion der letzten Tage. Auch für sie ist das Internet ein reines Arbeitswerkzeug, auf der Karnele hat sie noch nie was gelesen und wichtige Mails kündige ich am besten vorher mit einer SMS an.

Ich glaube, so oft wie in den vergangenen Tagen höre ich die Worte Feminismus bzw. Feministin sonst in einem ganzen Jahr nicht. Spätestens als sie zusammen mit einem Foto von Alice Schwarzer auch auf der Titelseite unserer Lokalzeitung auftauchten, wurde mir klar: Hier läuft etwas gewaltig schief.

Ich will denen da in Heidelberger Redaktion ja nicht zu nahe treten, aber vor zwei Wochen noch hätte ich Stein und Bein geschworen, dass sie nicht mal genau wissen, wie die F-Wörter buchstabiert werden.

Über Alice schrieben sie: »Die umstrittene Frontfrau der Frauenbewegung«. Was oder wer genau mit umstritten gemeint ist, wird leider nicht klar. Am Tag darauf landete der »Krieg unter Frauen« immerhin noch auf der zweiten Seite.

Wie seit einiger Zeit üblich, wenn Alice sich in den Medien äußert, fragte die Liebste auch diesmal wieder: »Rieselt bei der nicht doch der Kalk?«

Es ist nicht als Beleidigung gemeint, sondern dahinter steht ernsthaftes Interesse und Besorgnis. Schließlich nähern wir uns selbst immer mehr dem Alter, wo z. B. Vergesslichkeit nicht mehr einfach nur als Vergesslichkeit abgetan werden kann, sondern vielleicht auch als beginnende Krankheit hinterfragt werden sollte.

Ich muss ständig an einen Satz von Alice Schwarzer denken, den ich leider nicht mehr im Original finden kann. Sinngemäß sagte sie »Während Männer mit zunehmendem Alter immer sturer und konservativer werden, zeigen sich ältere Frauen immer offener für neue Ideen.«

Für sie selbst scheint das wohl nicht zuzutreffen. Es macht mich fassungslos, wie sie mit jungen Frauen umgeht, die nicht ihrer Meinung sind. »Da waren Sie noch gar nicht geboren … und haben deshalb auch keine Ahnung davon«, ist ein Totschlagargument und regt sicher nicht zu fruchtbaren Diskussionen an.

Während nun in den Medien von A-Z über Schwarzer/Schröder berichtet wurde und viele Blogs ebenfalls das Thema aufgegriffen haben, fiel mir nach ein paar Tagen auf: Bei den Lesben ist diese Diskussion kein Thema. Natürlich gab es hier und da in Foren ein, zwei, drei Beiträge dazu, doch das Interesse tendiert wirklich gegen null.

»Ich fühl mich von Diskussionen über Männersex, Jugenarbeit, Namensänderungen bei Heirat nicht angesprochen«, schrieb mir eine Lesbe. »Das sollen die Heteras mal unter sich ausmachen.«

Und eine Frau aus meinem Freundinnenkreis meinte: »Da wären wir wieder mal an der Grenze zwischen Heteras und Lesben angekommen. Ich will das nicht schon wieder durchkauen.«

Ganz anders ist es übrigens bei den Schwulen, wie ich hier feststellen konnte.

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