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Einer Mafia hilflos ausgeliefert

Vor ungefähr elf, zwölf Jahren war meine Computermaus in den Streik getreten. Also ging ich in ein Fachgeschäft, um mir eine neue zu kaufen. Ein sehr junger Mann, er schien gerade mal den Windeln entwachsen, fragte mich mürrisch nach meinen Wünschen. Artig antwortete ich: „Ich brauche eine Maus…“

Er ließ mich nicht ausreden, sondern verschwand. Knapp eine Minute später knallte er eine Schachtel auf den Tresen und wollte den Betrag in die Kasse tippen. Dass ich ihn dabei störte, ließ ihn noch mürrischer aussehen. Mein Begehren, mir den Inhalt der Schachtel erst einmal anzusehen zu wollen, war anscheinend die größte aller Unverschämtheiten, die ihm in den letzten Monaten von der Kundschaft zugemutet worden war. Dass es mir um den Anschlussstecker ging, ob er rund oder eckig war, konnte er nicht fassen, und er fühlte sich verpflichtet, mich aufzuklären. Erstens habe jeder Computer eine Maus und zweitens… Jetzt unterbrach ich ihn: „Oh, ich habe daheim noch einen anderen Computer, der funktioniert ganz ohne Maus.“

Am Ende hatte ich eine Maus mit dem richtigen Stecker gekauft und ließ einen verwirrten jungen Mann zurück. Es war offensichtlich, dass er an meinem Verstand zweifelte. Wahrscheinlich hätte er mich für entsprungene Klapsmühleninsassin gehalten, wenn er meine Gedanken hätte lesen können. Ich haderte wieder einmal mit dem Schicksal, der IT-Branche im Allgemeinen und der Firma Mircoschrott im Besonderen, weil sie mich mit vereinten Kräften gezwungen hatten, von meinem guten alten PC aus den achtziger Jahren auf ein moderneres Teil umzusteigen. Ganz einfach, indem sie keine fünfeinviertel Zoll Disketten mehr produzierten, und ich somit keine Möglichkeit mehr hatte, meine Texte zu speichern.

Nach langem Zögern, vielen Diskussionen, Nachfragen bei Freundinnen und Verwandten und lesen von diversen Fachzeitschriften hatten die Liebste und ich uns irgendwann endlich durchgerungen, einen neuen PC zu kaufen. Was war das für ein Teil! Der Bildschirm schien nicht nur doppelt so groß, er leuchtet auch in vielen bunten Farben. Mir taten die Augen weh, wenn ich länger davor saß, denn ich war einen dunklen Bildschirm mit einer wahlweise grünen oder orangen Schrift gewohnt. Das mitgelieferte Betriebssystem Windows 95, damals gerade aktuell, machte mich kirre. So viele Funktionen. Nichts schien frau mehr selber machen müssen. Selbst die DOS Oberfläche war versteckt worden.

„Dieser Computer scheint alles zu können außer Staubsaugen“, erzählte ich einer Bekannten. Wütend wurde ich erst beim Herunterfahren. „Sie können den Computer jetzt ausschalten“, blinkte mir auf dem Bildschirm entgegen. Anscheinend hielt die Herstellerfirma mich für derartig blöde, dass ich ohne diese Aufforderung noch nicht einmal das fertig bringen würde.

Bekanntlich kann sich der Mensch an fast alles gewöhnen und das tat ich auch. Selbst die Tatsache, dass mir mit der Zeit nichts anderes übrig blieb als meine Lotus-Programme durch Word und Exel zu ersetzen – „In welchem Format haben Sie das abgespeichert??? Tut uns Leid, wir nehmen nur Worddokumente entgegen…“ – ertrug ich noch einigermaßen gelassen.  Ganz oben auf einer Palme saß ich erst wieder, als ich das erste Mal zu lesen bekam: „Dieses Programm läuft nicht unter Windows 95.“

Während ich noch dabei war, mich an so etwas wie Windows überhaupt zu gewöhnen und die Rechtschreibprüfung von Word für meine Bedürfnisse umzufunktionieren, hatte eine weitere Veränderung stattgefunden. Nun gab es Windows 98 und CD Laufwerke. Meine Disketten waren wieder einmal ein Auslaufmodell und nach und nach begannen viele der Programme zu streiken, weil sich für sie keine Updates, Treiber usw. mehr auftreiben ließen. Irgendwann gab ich auf und wechselte das Betriebssystem bzw. gleich den ganzen Rechner, damit Windows 98 überhaupt installiert werden konnte.

So manche wird das nun kaum glauben, aber bis heute arbeite ich damit. Zufrieden und glücklich, denn außer einem Textverarbeitungsprogramm und einem einfachen Internetzugang interessiert mich herzlich wenig, was frau an einem PC so alles machen könnte. Ich war wild entschlossen, das Betriebssystem erst dann wieder zu wechseln, wenn ich damit tatsächlich würde staubsaugen können. Oder Geschirrspülen. Eben irgendwas Sinnvolles zu tun.

Letzten Sommer allerdings geriet ich ins Wanken. Die Firma, von der ich seit Jahren mein Antivirusprogramm bezog, hatte keine Lust mehr auf Windows 98 und verweigerte die weitere Zusammenarbeit. Als nach dem Brennen von CDs nur die Hälfte der Daten ordnungsgemäß zu lesen war, suchte ich nach einem Update für die Brennersoftware. Ihr werdet es schon ahnen, ich habe nichts gefunden. Auch bei dieser Firma war Windows 98 ein alter Hut. Seit ein paar Wochen läuft der Drucker nicht mehr so richtig, weil … Der Adobe Reader will mir bei jedem neuen Aufruf ein Update verpassen und meint dann entsetzt: „Leider entspricht Ihr Betriebssystem nicht den Anforderungen.“

Verdammt noch mal, warum werde ich eigentlich gezwungen, eine bewährte Sache, die meinen Ansprüchen vollkommen genügt, auszuwechseln? Die Frage ist nicht ganz ernst gemeint, natürlich kann mir selbst die Antwort geben: IT Mafia.

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