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Friedrich will allein spielen

Der Friedrich, nicht Lucies Knetmännchen, sondern unser Innenminister, hat was gegen Anonymität und Pseudonyme im Internet und scheint sich da mit google und facebook einig zu sein. Ich schreibe »scheint«, denn ganz genau habe ich die »Klarnamenpflicht«-Diskussion der letzten Wochen nicht verfolgt. Es mag feine Unterschiede in der Argumentation geben, doch im Ergebnis ist man sich wohl einig: Meinungsäußerungen im Internet nur gegen Aufdeckung der wahren Identität.

Mir ist diese Diskussion nicht fremd, ein wenig erinnert sie mich an die Impressumspflicht und in diesem Zusammenhang geht es mir wie mh

Viele wissen es, ich habe es hier auf der Karnele auch schon das eine und andere Mal angedeutet: Nele Tabler ist ein Pseudonym – einerseits. Andererseits steht dieser Name auch in meinem Personalausweis, auf der Rückseite, in der Rubrik Künstlername. Und dort stand er schon lange, bevor ich überhaupt angefangen habe, mich im Internet zu bewegen. Nebenbei, unserem Staat gefällt dieser Name so gut, dass er mir z. B. manchmal sogar 2 x die Wahlunterlagen zuschickt.

Zwei weitere Pseudonyme haben mir Verlage verpasst, weil sich mit der lesbischen Nele Tabler oder der unbekannten XX Liebesromane für Heteras nur schlecht vermarkten lassen bzw. Texte zur feministischen Theologie »falsch verstanden werden könnten« – was auch immer das konkret bedeuten soll, ich habe schon lange aufgehört, darüber nachzudenken. Ein viertes Pseudonym wiederum habe ich selbst als wichtig angesehen, weil ich nicht wollte, dass ein bestimmtes Buch auf den ersten Blick mit manchen Dingen in Verbindung gebracht werden sollte.

Stehen jetzt Herrn Friedrich die Haare zu Berge, wenn ich ihm sage, dass ich im Internet nicht nur unter dem »offiziellen« Pseudonym Nele Tabler, sondern auch unter den drei anderen manchmal etwas veröffentliche, mich an Diskussionen beteilige usw.? Zwar sehr, sehr selten, mir fehlt einfach die Zeit, mich immer wieder in verschiedene Persönlichkeiten aufzuteilen, aber ab und zu kommt es schon vor.

Eine meiner Freundinnen, eine Lesbe, hat sich für das Internet auch eine andere Identität zugelegt … auf ausdrücklichen Wunsch ihres Arbeitgebers, der katholischen Kirche. In der zuständigen Diözese praktiziert man eine Variante von »Don’t ask, don’t tell«, was dort mit »Was Gott weiß, müssen seine Angestellten noch lange nicht wissen« übersetzt wird.

Maulkörbe für Altenpflegerinnen, die über Pflegemissstände berichten wollen? Für Polizist_innen, die zwar ihren Beruf, aber nicht die Strukturen lieben? Für Lesben und Schwule, die sich nicht gegenüber ihrer Familie geoutet haben? Für Landwirt_innen, die Christbaumkulturen zum Teufel wünschen, doch im Dorf nicht als Aussätzige behandelt werden wollen? Für HIV-Positve, die meinen, das geht ihren Arbeitgeber nichts an? Für Menschen, die aus bestimmten Gründen den Kontakt zu Verwandten abgebrochen haben?

Alles Beispiele aus meinem direkten Umfeld. Ohne diese Menschen würde es im Internet ziemlich langweilig und einsam werden. Man sollte es dann umbenennen in »Friedrich und seine Speichellecker«. Und wir anderen kommunizieren demnächst im Untergrund oder so, mal sehen, was den Technikfreaks alles einfällt.

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