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Krankes Gesundheitswesen 7

Die nächsten drei Tage verbringe ich wieder im Krankenhaus Hardheim. Der zuständige Arzt kann die Entscheidung der Reha Klinik nicht verstehen und scheint auch nicht so recht zu wissen, was er nun mit mir anfangen soll. »Eigentlich können Sie auch nach Hause gehen«, meint er etwas zögerlich. »Über das Wochenende passiert hier sowieso nichts.«

Es ist die Liebste, die ihm sofort widerspricht. Nach all den schlechten Erfahrungen in den letzten Monaten vermutet sie selbst hinter freundlichen Gesichtern und Worten nur noch böse Absichten. »Und wenn es mit der Wunde schlimmer wird, sie sich zum Beispiel infiziert oder gar aufplatzt, dann schiebt man uns die Verantwortung zu und behauptet, wir hätten etwas falsch gemacht. Dreckiges Verbandsmaterial benutzt oder so ähnlich.«

Leider muss ich ihr recht geben, obwohl ich unheimlich gerne nach Hause gegangen wäre. Stattdessen belege ich nun wieder mein altes Bett im Privatzimmer. Frau S., die Bettnachbarin, zeigt sich davon genauso wenig begeistert, wie ich es selbst bin. Sie hatte sich anscheinend bereits auf einige Tage in einem Einzelzimmer gefreut und gibt sich auch keine Mühe, am Telefon und gegenüber Besuchern ihren Unmut zu verbergen.

»Die Lesbe ist wieder da«, höre ich sie gerade sagen, als ich nach einem kleinen Spaziergang die Zimmertür öffne. Natürlich hatte ich in den gemeinsamen Tagen vor der Reha mitbekommen, dass Frau S. anscheinend »gut katholisch« ist, wie man bei uns so sagt. Sie betete vor jedem Essen und las ab und zu in der Bibel. Dennoch überrascht mich ihre plötzliche Abneigung wirklich. Besonders die Liebste hatte sich Mühe gegeben, Frau S. freundlich und zuvorkommend zu behandeln und ihr beim abendlichen Abschied jedes Mal genau wie mir eine Praline als Betthupferl auf den Nachttisch gelegt. Erst zuhause geht uns durch Zufall ein Licht auf und wir rekonstruieren, sie hat wahrscheinlich erst durch eine Bemerkung bei meiner Entlassung in die Reha verstanden, dass es sich bei der Liebsten und mir nicht um Schwestern, Cousinen oder gute Bekannte, sondern um ein lesbisches Paar handelt.

Ein dreckiges Tablett, Reiskörner und Soßenflecken

Gabel mit vier Zinken, eine Zinke nach oben verbogen

weiße Kaffeetasse mit angeschlagenen Rand

Die nächsten drei Tage und besonders die Nächte werden zur Qual. Gemeinsam mit der Nachtschwester macht mir Frau S. das Leben zur Hölle. Ich darf nicht fernsehen, nicht telefonieren, das Licht meines Smartphones stört, die Fenster müssen geschlossen bleiben. Die Liebste versucht, diplomatisch zu vermitteln und handelt sich eine eiskalte Abfuhr ein. Die Nachtschwester äußert es zwar nicht wörtlich, gibt aber deutlich zu verstehen, dass ihr die Bedürfnisse und Befindlichkeiten einer lesbischen Patientin am Arsch vorbeigehen.

Ich weiß, dass das Pflegepersonal in den Krankenhäusern und anderen Einrichtungen heutzutage enorm gefordert wird und oft unter Bedingungen arbeiten muss, die eigentlich unverantwortlich sind. Schwestern und Pfleger, die ständig körperlich und seelisch über ihre Belastungsgrenze hinaus gehen müssen, geben den Druck natürlich an ihre Patient_innen weiter, ob nun unbewusst oder bewusst. Dennoch rechtfertigt auch der größte Stress kein homophobes Verhalten wie das der Nachtschwester.

Trotz intensivem Nachdenken kann ich mir nicht wirklich erklären, weshalb ich die Schwestern und (wenigen) Pfleger der verschiedenen Krankenhäuser so unterschiedlich wahrgenommen habe. Natürlich habe ich mich auch über Vorfälle im Kreiskrankenhaus und der Uniklinik geärgert. Möglicherweise oder eher sogar wahrscheinlich hängt es auch mit dem dunklen Loch und der langen Zeit des Nebelschleiers zusammen, sodass ich mich an viel Negatives einfach nicht erinnern kann. Dennoch werde ich den Eindruck nicht los, dass in Hardheim von zwei, drei Ausnahmen abgesehen das Personal wirklich außergewöhnlich rüde mit Patient_innen (und Assistenzärzten) umgeht.

Hauptsache scheint zu sein, die Frömmigkeit wird demonstrativ zur Schau gestellt. In jedem Zimmer und auf den Fluren hängen kleine Holzkreuze. In einem katholischen Krankenhaus wäre das normal, aber in einer staatlichen/kommunalen Einrichtung empfinde ich es allmählich als religiöse Belästigung. Genau wie die Bibel, die in Bad Schönborn in einem Gestell an der Innenseite der Kleiderschranktür steckte. Warum gibt es dagegen eigentlich kein Gesetz?

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