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Lieber ein toter Patient als ein schwuler Knochenmarkspender?

»Die European Group for Blood and Marrow Transplantation (EBMT) rechnet damit, dass es in Japan zu akuten Strahlenerkrankungen kommen könnte. Die europäischen Zentren würden aufgefordert, sich für Knochenmarktransplantationen bereitzuhalten, erklärte der Präsident Alejandro Madrigal gegenüber der BBC«, berichtete gestern das deutsche Ärzteblatt.

Ich habe diese Nachricht über Twitter geschickt und im nächsten Tweet gleich noch den Link zur deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) verbreitet. Über zwei Millionen Menschen sind dort bereits registriert und sie könnten vielleicht einmal Leben retten.

Umgehend machte mich @TopMA auf die Bedingungen der DKMS aufmerksam. Unter Punkt zwei wird aufgezählt, welche Menschen kein Knochenmark spenden dürfen. Süchtige, Kranke, Jugendliche …

… und Schwule. Bei der letzteren Gruppe beruft man sich auf die »Zweite Richtlinienanpassung 2010 der Richtlinien zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten«.

Diese besagt kurz, knapp und salopp nichts anderes als: Ein Heteromann, der mit den sogenannten Bumsbombern nach Thailand fliegt, ist zur Knochenmarkspende geeignet. Ein Heteromann, der einmal die Woche eine Prostituierte aufsucht, die bereit ist, »es« ohne Kondom zu machen, ist zur Knochenmarkspende geeignet. Ein Heteromann, der promiskuitiv lebt oder regelmäßig Swingerclubs besucht oder …, ist zur Knochenmarkspende geeignet.

Hingegen ist ein Schwuler, der seit dreißig Jahren in einer monogamen Beziehung lebt, NICHT zur Knochenmarkspende geeignet.

Bei mir löst diese Praxis den Reflex aus: »Man sollte die Datei boykottieren« – was natürlich potenzielle Spender_innen bitte auf gar keinen Fall tun sollten!

Allerdings weigert sich die Liebste bereits seit 1995, Blut zu spenden. Sie war damals gerade erst als häufige Blutspenderin geehrt worden, als sie zum ersten Mal von dieser diskriminierenden Praxis hörte. Wütend schickte sie mit einem entsprechenden Anschreiben die Nadel an das DRK zurück. Eine Reaktion darauf erfolgte nie.

Eigentlich gibt es in unserer Gesellschaft nur zwei Niedrig-Risikogruppen. Das wären einmal die Sandkastenlesben und zum anderen Nonnen.

Bei allen anderen Menschen besteht die Gefahr, dass sie sich irgendwann einmal mit dem HIV Virus infiziert haben. Als Lesbe mit einer Heteravergangenheit gehöre ich ebenso dazu, wie viele Frauen, die keine Ahnung haben, was ihre Männer eigentlich so treiben, und Mönche, die heimlich homosexuelle Beziehungen im Kloster pflegen.

Bin ich eigentlich sehr naiv, wenn ich annehme, dass Knochenmarkspender_innen vor einer Spende quasi scheibchenweise unter dem Mikroskop betrachtet werden, um zu prüfen, ob sie auch wirklich gesund sind? In diesem Fall dürfte ihre sexuelle Identität dann doch schnurzpiepegal sein.

Und was wäre, wenn … ein Mann sich registrieren lässt, Jahre später sein Coming-Out hat und danach irgendwann als einzig passender Spender infrage käme?

 

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