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Mobbing, Kinderlosigkeit, Ehefrauen

»Schlachtfeld Politik« hieß eine Dokumentation, die vor ein paar Tagen in der ARD gezeigt wurde. Kurt Beck (SPD), Erwin Huber (CSU), Wolfgang Kubicki (FDP), Andrea Fischer (Grüne) und Katina Schubert (Linke) erzählen davon, wie sie von ihren Parteifreund_innen gemobbt wurden und welche Auswirkungen das auf ihr Leben hatte.

Nun sind Parteien sicher kein Ort für Kuschelrunden und wahrscheinlich geht es dort genauso zu wie in allen anderen Bereichen, wo Menschen Karriere machen wollen. Doch zwischen normalen Konkurrenzkampf und Mobbing besteht ein himmelweiter Unterschied, was auch diese fünf Politiker_innen schmerzhaft zu spüren bekommen haben.

Die Erzählungen der Männer lösten bei mir weder Empörung noch Mitleid aus. Sie hätten ebenso gut auf der jeweils »anderen« Seite stehen können, es lag nur an gewissen Umständen, dass sie zum »Opfer« geworden und nicht »Täter« gewesen waren. Doch nur Kubicki schien darüber nachgedacht zu haben und gab als Einziger zu, bis heute seine Rache zu genießen – nach Selbstmordgedanken und nachdem er es aus dem schwarzen Loch wieder herausgeschafft hatte. Beck und Huber hingegen benahmen sich, als hätten sie selbst nie an etwas Derartiges gedacht oder gar getan und seien die Fairness in Person.

Andrea Fischers Geschichte hat meine Vermutungen und alle Gerüchte, die ich damals gehört habe, bestätigt. Zumindest vor zehn, elf Jahren noch war es einfach nur riskant gewesen, gewissen »Jungs« in dieser Partei im Weg zu stehen. Und wieder einmal musste ich an Jutta Ditfurth denken, die bei einer Gelegenheit sagte, ihr größter Fehler bei den Grünen sei gewesen, Joschka Fischers Mitgliedsantrag zu unterschreiben.

Von Katina Schubert hatte ich noch nie vorher gehört, wahrscheinlich auch, weil ich mit der Linken nur wenig vertraut bin. Was ihr passiert ist, hat meiner Meinung nach eine besondere Dimension. Sie geriet mit der einstigen familienpolitischen Sprecherin der Linken im Saarland, Christa Müller, aneinander, als diese davon sprach, kleine Kinder sollten besser zuhause betreut und nicht in eine Kita gegeben werden (sinngemäß). Katina Schubert nannte das eine längst überholte Vorstellung, die nicht Konsens bei der Linken sei. Oskar Lafontaine, damals noch Ehemann von Christa Müller und Vorsitzender der Linken, eilte als unedler Ritter seiner Frau zu Hilfe und machte der Genossin Schubert drastisch klar, wo ihr Platz ist.

Wenn ich den Namen Christa Müller höre, muss ich automatisch an Doris Schröder-Köpf denken und daran, wie diese beiden Frauen 1998 gemeinsam für ihre Männer in den Wahlkampf zogen. Sozusagen als Gegenentwurf zur biederen Hannelore Kohl, jünger, moderner, telegener, aber mit denselben Anliegen: sich für die politische Karriere der Ehemänner einzusetzen und dieser unterzuordnen.

Mit Lafontaines Rücktritt verschwand auch Christa Müller aus meinem Blickfeld. Es blieb Doris Schröder-Köpf, die mir nie besonders sympathisch war. Ein Gefühl, das zunächst wohl weniger mit ihr selbst zu tun hatte, sondern mehr mit unserem Exkanzler. Denn in meinen Erinnerungen gibt es so eine ururalte Geschichte mit Gerhard Schröder, Klaus Uwe Benneter, der SPD, den Jusos und einem bösen, bösen Begriff, der Stamokap-Therorie.

2005 schließlich wurde mir Doris Schröder-Köpf auch höchstpersönlich äußerst unsympathisch, als sie Angela Merkel vorwarf, mit verantwortlich für die niedrige Geburtenrate in Deutschland zu sein, weil sie als Kinderlose keine Ahnung von Familienpolitik habe. Dabei hatte sie wohl vergessen, wer in den sechs Jahren zuvor an der Regierung gewesen war, nämlich ihr Ehemann, für den sie gerade mal wieder Wahlkampf machte und der die Aufgaben des Ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend als »Frauen und Gedöns« bezeichnet hatte. Und den Versuch, die Kinderlosigkeit einer Politikerin gegen sie verwenden zu wollen, fand ich erstens widerlich und zweitens frauenfeindlich. Weder ging/geht es sie noch die Öffentlichkeit etwas an, warum eine Frau nicht Mutter ist, ob sie sich bewusst dagegen entschieden hat oder vielleicht medizinische Gründe eine Rolle spiel(t)en. Und welcher Politiker wird schon auf eine solche Weise wegen seiner Kinderlosigkeit angegriffen?

Seit ein paar Wochen hat es Doris Schröder-Köpf nun wieder in die Medien geschafft. Ihr Promistatus sorgte dafür, dass auch ich hier in Baden-Württemberg von dem Machtkampf in einem niedersächsischen SPD Ortsverein erfuhr. Sie will nun selbst in die Politik und dagegen ist sicher nichts einzuwenden. Ich bin immer für mehr Frauen in der Politik und freue mich eigentlich über jede Einzelne, die bereit ist, sich zu engagieren und zu kandidieren. Doch das scheint nicht gerade das Anliegen von Schröder-Köpf zu sein, denn sie trat gegen eine Frau an.

Es ging also nicht um mehr Frauen in der Politik, sondern nur darum, eine Frau gegen eine andere auszutauschen. Eine Promifrau gegen eine, von der man außerhalb Niedersachsens noch nie gehört hat. Eine Altere gegen eine Jüngere. Eine biedere graue Maus (Zitat aus einem Zeitungsartikel) gegen eine, die weiß, wie man sich in den Medien am besten präsentiert. Eine Gewerkschaftlerin, die die sogenannte Ochsentour in der Partei hinter sich gebracht hat, gegen eine Quereinsteigerin, die von oben, als Ehefrau eines Exkanzlers ihre Beziehungen spielen lassen konnte. Eine Kinderlose gegen eine Mutter von drei Kindern …

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