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Quotendiskussion, die 999.

Krank – die Liebste hat ihre Viren oder Bakterien oder auch beides großzügig an mich abgegeben – und außerdem intensiv beschäftigt mit einem neuen Buch, das im Frühjahrerscheinen soll, habe ich die momentane Debatte über die Frauenquote nur am Rand registriert und bin deshalb auch nicht auf dem aktuellsten Stand, welche und wer nun was wieder einmal dazu gesagt haben.

Gestern haben eine Freundin und ich versucht herauszufinden, wie oft wir Diskussionen um die Frauenquote bereits erlebt haben. Unterschwellig war sie für uns natürlich immer ein Thema gewesen, doch ab und zu nahmen sich auch die Medien ihrer an und dann war sie für ein, zwei Tage oder sogar mal für ein, zwei Wochen in aller Munde … bis sich etwas anderes als interessanter erwies.

Gut erinnern kann ich mich noch an die Gründerjahre der Grünen, als über das Reißverschlusssystem (Besetzung der Wahllisten abwechselnd mit Frau, Mann, Frau, Mann), Doppelspitzen (Frau/Mann) und Ähnliches gestritten wurde, stundenlang, tagelang – solange, bis sich kein Mann mehr traute, deswegen offen aufzumucken, es sei denn, er wollte unbedingt als Macho, Chauvi und Frauenunterdrücker in die Annalen der Partei eingehen und sich für immer und ewig die Chancen auf eine Politkarriere versauen.

Heute denke ich, selbst uns Frauen war damals nicht klar gewesen, was wir da eigentlich forderten und welche Konsequenzen es haben würde. Manchmal waren wir ebenso wie die viele der Männer überrascht, dass erst einmal über die Organisation der Kinderbetreuung bei Delegiertenkonferenzen diskutiert werden musste, bevor wir uns den weltbewegenden Fragen der Umweltverschmutzung oder Atomwaffen zuwenden konnten.

Gerade in den Anfangsjahren ließen sich oft nur dann genügend Kandidatinnen auftreiben, wenn die Versorgung der Kinder geregelt war. Die Auseinandersetzungen in einem Organisationskomitee Ostermarsch um einen Wickeltisch werde ich sicher nie vergessen. Zeitweise mutierte die Frauenquote zur Mütterquote und noch heute scheint es manchen Politiker_innen und Medienmenschen schwer zu fallen, den Unterschied zu erkennen.

In den letzten Monaten habe ich mich viel mit dem Thema »Mobbing bei Frauen in Männerberufen« beschäftigt und dabei festgestellt: Viel ist in den letzten Jahrzehnten seit der den Gründerjahren der Grünen nicht gerade passiert. Zugegeben, es gibt jetzt mehr Frauen in der Politik und mehr Frauen im Fernsehen, die über Politik, Wirtschaft oder Sport reden dürfen. Es gibt Polizistinnen und Soldatinnen und große Firmen mit speziellen Frauenförderprogrammen.

Aber im realen Leben, in den kleinen und mittelständischen Firmen, außerhalb gewisser Kreise ist die Frauenquote kein Thema – nicht bei den Chefs, denen oft das Bewusstsein für ein Problem fehlt, und auch nicht bei den Frauen.

Weder die Gewerkschaften noch über die Arbeitgeberverbände waren zum Beispiel in der Lage, meine Anfragen über den Frauenanteil in den technischen Berufen des Druckereigewerbes zu beantworten. Solche Zahlen existieren nicht und darüber hinaus besteht anscheinend auch kein Interesse, entsprechende Daten vielleicht einmal zu erheben.

Ein Pressesprecher schickte mir die Infos über das allgemeine Verhältnis (2/3 Männer und 1/3 Frauen) und meinte, diese Branche habe eh schon große wirtschaftliche Probleme, eine gesetzliche Frauenquote im technischen Bereich würde viele kleine Druckereien in den Konkurs treiben. Ob ich denn tatsächlich schwer arbeitende Familienväter (=Drucker) arbeitslos machen wollte?

Es mag ja ganz nett sein, wenn große Unternehmen wie Telekom ihren Frauenanteil in den Führungsgremien oder im Aufsichtsrat erhöhen wollen. Doch ich bezweifle, dass diese drei, vier, fünf Frauen irgendetwas an der Situation einer Druckerin, einer Schreinerin, einer Fliesenlegerin verändern werden. Und ganz ehrlich, mir ist es eigentlich egal, wie viele Frauen in die Vorstandsetagen via Quote einziehen, solange zum Beispiel die Arbeiterinnen einer Wäscherei aufgrund obskurer Arbeitsplatzbeschreibungen einen niedrigeren Stundenlohn erhalten als ihre Kollegen.

Nichtsdestotrotz glaube ich heute mehr denn je, dass wir unbedingt eine Quotenregelung brauchen. Weiter abzuwarten und hier und da eine kosmetische Veränderung, bringt weder die Frauen noch die Männer weiter. Und meiner Meinung gäbe es auch ziemlich einfache Lösungen, um Veränderungen zu erreichen. Wie wäre es denn, wenn Betriebe die benötigten Zertifizierungen nur noch bekommen, wenn sie einen entsprechenden Frauen- und Männeranteil in allen Abteilungen vorweisen können? Wenn Subventionen, Steuererleichterungen und staatliche Kreditbürgschaften nur bei einem ausgewogenen Geschlechterverhältnis gewährt werden?


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