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Der 100. Internationale Frauentag – Es gilt immer noch das Schornsteinfegerprinzip

Heute ist der 100. Internationale Frauentag. Dass es diesen Tag überhaupt gibt, habe ich erst als junge Erwachsene wirklich wahrgenommen. Bis Mitte der Siebzigerjahre war der 8. März in Westdeutschland kein Thema gewesen. Und als ich das erste Mal davon hörte, erklärte mir eine Geschichtslehrerin, der Internationale Frauentag sei so was wie ein kommunistischer Muttertag. Den Muttertag fand ich auch schon ohne Kommunismus mehr als sonderbar und so hat es lange gedauert, bis ich mich wirklich dafür interessierte.

Als meine Kinder geboren wurden, war ich fest davon überzeugt gewesen, dass für sie die Gleichberechtigung von Frauen und Männer eigentlich kein Thema mehr sein dürfte. Mittlerweile sind sie erwachsen und oft habe ich den Eindruck, es hat sich in letzten Jahrzehnten kaum etwas bewegt.

Das stimmt so natürlich nicht, aber ich habe es einfach satt, immer und immer wieder und immer noch die gleichen Dinge zu erleben und kein Licht am Horizont zu sehen. Höchstens einen zarten Schimmer, der sich ab und zu mal blicken lässt. Die Betonung liegt auf »ab und zu« und viel zu selten. Schneckentempo wäre ein ICE, Jutta Limbach sprach einmal von 300 Jahren, bis bei uns wirkliche Gleichberechtigung von Männern und Frauen herrschen würde.

Kennt Ihr das Schornsteinfegerprinzip? Wahrscheinlich nicht, denn ich habe es vor Kurzem erfunden. Nein, das ist auch nicht richtig ausgedrückt, ich habe einem bestimmten Vorgang in unserer Gesellschaft so benannt. Man könnte es auch das Hausfrauenprinzip nennen oder …

Dreimal im Jahr kommt der Schornsteinfeger zu uns. Zu Beginn, in der Mitte und gegen Ende der Heizperiode. Ich habe keine Ahnung, warum das so ist, ob das wirklich so oft nötig wäre, wer das einmal festgelegt hat.

Es ist nun mal so: Irgendwann im Oktober/November, im Februar und im Mai steht der Schornsteinfeger vor der Tür. Meist am Vormittag, manchmal auch am Nachmittag, klingelt er und begehrt Einlass, damit er seine gesetzlich vorgesehene Arbeit verrichten kann. Unangemeldet. Wir wissen nur »Oh, es ist Mai, der Schornsteinfeger kommt morgen, übermorgen, vielleicht auch erst nächste Woche oder in vierzehn Tagen.«

Öffnet ihm niemand die Tür, hinterlässt er einen Zettel: »Der Schornsteinfeger kommt. Morgen, 9 Uhr«.

»Melden Sie sich nicht vorher an?« haben wir anfangs noch naiv gefragt und später beinah schon gefleht: »Können Sie sich nicht anmelden?« Die Antwort darauf war schlicht gewesen: Der Zettel mit der Mitteilung »Schornsteinfeger kommt«, ist die Anmeldung und eine Terminabsprache zugleich.

Das wird schon seit Jahrzehnten so gehandhabt und von niemand infrage gestellt, schließlich ist in einem ordentlichen Haushalt die Hausfrau allzeit bereit, die Tür zu öffnen. Es kann auch Hausmann sein, so sexistisch ist man ja gar nicht. Oder eine Dauermietoma, Hauptsache, man lässt den Schornsteinfeger dann seine Arbeit tun, wann er es will.

Solange unsere Gesellschaft von Lächerlichkeiten wie dem Schornsteinfegerprinzip beherrscht wird, sind Diskussionen über Ehegattensplitting und Quoten eigentlich für die Katz.

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