Das unterschiedliche Verhalten von Frauen und Männern im Internet ist bereits so oft thematisiert worden, dass es mir fast zum Hals raushängt. Eigentlich habe ich überhaupt keine Lust mehr, damit noch mehr meiner Zeit zu verschwenden. Doch dann setzen Frauen eine Kampagne in den Sand und ziemlich das Erste, das mir dazu einfällt, ist zu meinem eigenen Entsetzen: „Männern wäre so was nicht passiert.“
Die geplante Änderung des Kommunalwahlrechts in Baden-Württemberg schien eine gute Gelegenheit zu sein, endlich auch mal was gegen den geringen Frauenanteil in den Gemeinde- und Kreisräten zu unternehmen. Deshalb startete der Landesfrauenrat die Initiative „Halbe Kraft reicht nicht!“ und fing an, Unterschriften zu sammeln. Man stellte eine optisch schöne Webseite ins Netz …
… und harrte der Dinge, die da kommen würden. Google wird’s schon richten? Wer suchet, der wird schon zufällig darüber stolpern und unterschreiben, scheint die Vorstellung gewesen zu sein. Sechs Wochen nach dem Start hatten gerade mal 1500 Menschen ihren Namen unter die Forderung „Mehr Frauen in die Kommunalparlamente“ gesetzt.
Der Landesfrauenrat hat den Anspruch die „politische Interessensvertretung der Frauen in Baden-Württemberg“ zu sein. Und tatsächlich scheinen die Mitgliedsverbände aus beinah allen gesellschaftlichen Gruppierungen zu kommen. Die AG heimatvertriebener und geflüchteter Frauen Baden-Württemberg e.V ist dort ebenso vertreten wie der dt. ingenieurinnenbund Baden-Württemberg e.V. oder der Landesverband der Tagesmütter-Vereine Baden-Württemberg e.V.
Geballte Frauenpower mit den besten Voraussetzungen, um eine Initiative wie „Halbe Kraft reicht nicht!“ zu stemmen. Auch ein Blick auf die Erstunterzeichner_innen und die unterstützenden Organisationen scheint den Eindruck zu bestätigen. Profis, die Erfahrung mit dem politischen Geschäft haben und wissen, wie man etwas auf den Weg bringt.
Wenigstens sollte man das meinen und vor zehn Jahren, vielleicht auch noch vor fünf, hätte man mit dieser Annahme richtig gelegen. Doch die altbewährten Methoden greifen nun mal nicht mehr im digitalen Zeitalter. Auch so eine Erkenntnis, die mir auf die Nerven geht, weil sie einerseits so selbstverständlich ist und andererseits beinah täglich als Argumentationshilfe herhalten muss. Nicht nur die Parteien und die Politiker_innen haben den Anschluss ans Netz verpasst, sondern auch der Landesfrauenrat. Und während die einen verblüfft auf die Piraten starren und erst allmählich die neue Welt begreifen, dümpelt bei den anderen eben derzeit eine Unterschriftenaktion vor sich hin.
Frauen und Social Media, am liebsten würde ich jetzt schreiben: „He, Facebook ist nicht nur dazu da, um niedliche Katzenfotos zu posten. Dort kann frau auch Politik machen!“ Aber diese zwei Sätze brauche ich noch für einen Artikel über Lesben und ihre Tierliebe. Also probiere ich es so: Kein politisch ambitionierter Mann ließe sich auf eine arbeitsintensive Kampagne ein, ohne sämtliche Möglichkeiten der Werbung zu nutzen. Möglich, dass er selbst noch nicht so gut mit den neuen Medien zurechtkommt, aber wie „Macht geht“, weiß er und notfalls engagiert er sich Social-Manager_innen oder übergibt das Ganze einer Agentur.
Jeder Ramschverkäufer hat heutzutage einen Twitteraccount und wahrscheinlich auch einen bei goggle+. Der Landesfrauenrat nicht. Weder für sich selbst noch für „Halbe Kraft reicht nicht.“ Die eigene Facebookseite erinnert an einen Ponyhof, aber nicht an Politik. Bei den Unterstützerinnen, wie z. B. den Evangelischen oder den Katholischen Frauen sieht es kaum besser aus. Fast keiner der Webauftritte macht einen kompetenten Eindruck und interaktiv scheint wie social media ein Fremdwort zu sein.