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Gerüchte, Schlagzeilen, Rufmord

Im Ländle ist der Teufel los. Beinah im wahrsten Sinn des Wortes. Ministerpräsident Teufel schmeißt den Bettel hin, wie es hier so schön heißt. Nachdem sich zwei seiner Untergebenen seinetwegen in der Öffentlichkeit eine Prügelei lieferten O-Ton aus dem Radio: »In der linken Ecke sehen Sie Minister P.« -, war es an der Zeit, den Rücktritt für das nächste Frühjahr anzukündigen.

Nun gut, welche interessiert es denn, ob Herr Teufel oder Herr Engel oder Herr Y das Ländle regieren? Es dürfte kaum ein Unterschied zu merken sein. »Hier könnte man einen Besenstiel als Kandidaten aufstellen«, sagen die Leute. »Hauptsache, er hat das Schild CDU umhängen, dann wird er gewählt«.

Interessant ist etwas ganz anderes. Zum ersten Mal macht sich eine Frau daran, im Ländle nach der Macht zu greifen. Annette Schavan, die Kultusministerin, bundesweit als engagierte Kopftuchgegnerin bekannt geworden. Schon ihre Herkunft ist zweifelhaft. Sie soll aus dem Ruhrpott oder so stammen, von hier ist sie jedenfalls nicht. Sie spricht hochdeutsch, bekanntlich eine Seltenheit in unseren Breiten. Es wirkt befremdlich, wenn sie den Mund aufmacht und über hiesige Verhältnisse redet.

Noch befremdlicher ist die Tatsache, dass sie nicht verheiratet ist. Sie hat weder Mann noch Kinder und welcher Kirche sie angehört, wissen noch nicht einmal Frau Schwäble und Frau Badner, die bisher noch jeden Politiker irgendwann auf dem Kirchentag oder der Fronleichnamsprozession getroffen haben.

»Wahrscheinlich gehört sie überhaupt keiner Kirche an«, vermuten die Allwissenden, während sie energisch mit dem Besen über den Bürgersteig schrubben und ihren schwäbisch-badischen Tugenden nachkommen. Kein Mann, keine Kinder, keine Kirche und was eine Kehrwoche ist, weiß die Gute vermutlich auch nicht.

»So was haben die doch da im Ruhrpott gar nicht«, meinen Frau Schwäble und Frau Badner, schließlich kennen sie ja die Bilder vom Kölner Rosenmontagszug aus dem Fernseher. »So ein Dreck auf den Straßen!«

So bleibt nur ein Schluss: »Die Frau Schavan ist lesbisch«, flüstert die Frau Schwäble hinter vorgehaltener Hand. Und Frau Badner gibt ihr Recht.

»Das ist schäbig, absurd, das ist Rufmord«, wehrt sich die so Gescholtene deswegen auf einer Versammlung der CDU und erhält dafür stürmischen Beifall. Es fehle ihr dazu »Eignung, Lust und Neigung«, sagt sie an anderer Stelle.

Ha, ha und warum hat sie dann keinen Mann? Und keine Kinder? Und was ist mit der Kehrwoche? Dass Lesben keinen Besen schwingen können, ist allgemein bekannt, die Liebste und ich sind das beste Beispiel dafür.

Schavans Konkurrent, ein gestandener Mann aus ordentlichen Verhältnissen und des hiesigen Dialekts mächtig, hält sich vornehm zurück. Er beteilige sich nicht an solchen Gerüchten, lässt er sinngemäß mitteilen. Nein, er hält lieber Reden über den Stellenwert von Familie und Kinder und sagt, dass Kinder zu haben, »ein Teil der Schöpfung und die Logik des Lebens überhaupt ist.«

Er ist eben ein schwäbisches Schlitzohr und weiß, wie mann sich ausdrücken muss. Seine Kehrwoche erledigt wahrscheinlich seine Frau, ebenso wie sie die Geburt des Sohnes übernommen hat.

»Rufmordkampagne gegen Schavan« titeln Spiegel-Online, das Radio und die Bildzeitung in schöner Einmütigkeit. Es muss gerade mal wieder Saure Gurken Zeit sein, denn sie hinken ihrer Zeit hinterher. In den einschlägigen Lesbenforen und Mailinglisten wird schon seit Jahren über diese Frage spekuliert.

Sie sieht aus wie eine Lesbe, sie benimmt sich wie eine Lesbe, ist sie eine Lesbe? Nun, neben der bisher wenigstens für mich immer noch ungeklärten Frage, woran erkenne ich eine Lesbe, steht auch mal wieder die Frage des Zwangsoutings im Raum.

Interessiert es mich, ob Schavan eine Lesbe ist? Wird mein Leben besser, wenn ich es weiß? Fühle ich mich dann glücklicher?

Fragen, die ich eindeutig verneinen muss. Nein, mich interessiert es nicht, ob diese Frau lesbisch ist, ob sie in einer Frauenpartnerschaft lebt oder ob sie mit ihrer Geliebten oder ihrer Mutter am Bodensee spazieren geht. Ebenso, wie es mir schnurzpiepegal ist, ob sie mit einem Mann oder einer Katze ihr Bett teilt, Dreiminuteneier zum Frühstück mag oder unter der Dusche Gassenhauer zu grölen pflegt.

Was mich allerdings interessiert, ist ihre Reaktion auf diese Gerüchte. »Rufmord, schäbig, absurd« was für hochtrabende Begriffe in diesem Zusammenhang. Es hört sich so an, als sei ihr unterstellt worden, mit der Portokasse des Kultusministeriums durchbrennen zu wollen. Aber anscheinend würde sie das als weniger rufschädigend empfinden als die Tatsache, als potenzielle Lesbe gehandelt zu werden.

Schade, wissen Sie was, Frau Schavan: Eine die so reagiert, hat solche Zeitungsschlagzeilen verdient! Ich geh mir jetzt einen Besen kaufen und stelle mich zur Frau Schwäble und Frau Badner und helfe ihnen, Gerüchte zu verbreiten.

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