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Alte Weiber

Der Kerl ist dick, grantig und lässt sich von seiner Mama bedienen als sei er ein Säugling. Trotzdem sahen wir ihn gern, den Bullen von Tölz. Nicht wegen ihm allein, sondern wegen seines Zusammenspiels mit Katharina Jacobs. Wenn sie Mein Hase säuselt, könnten wir uns ausschütten vor Lachen.

Seit letzte Woche die neue Emma erschien, gehört er der Vergangenheit an. Ebenso wie sein Sender, SAT1. Den haben wir aus unserem Fernsehangebot gelöscht. Den Bullen von Tölz wollen wir nicht mehr sehen, ebenso wenig wie all die anderen Angebote dieses Senders, der an Frauen zwischen 40 und 60 keine Hauptrollen vergibt. Weshalb Katharina Jacobs auch demnächst nicht mehr im Bullen von Tölz zu sehen sein wird. Sie sei zu alt und, ganz nebenbei, auch zu dick! Was EMMA vermuten lässt, die Nachfolgerin werde wohl 20 Jahre alt sein und 30 Kilo wiegen.

Ruderoma, war mein persönliches Unwort der olympischen Spiele von Athen. Einmal ganz davon abgesehen, dass es korrekt Paddeloma hätte heißen müssen. Künstlich erstaunt registrierten die Medien, dass Birgit Fischer, eine Frau des Jahrgangs 1962, schon wieder eine Goldmedaille geholt hatte und ernsthaft darüber nachzudenken schien, ob sie in vier Jahren noch einmal antreten wird.

Peking soll eine interessante Stadt sein, sagte sie grinsend in einem Interview, während der jung-dynamisch-hippe Reporter eigentlich hören wollte: Nee, nee, langsam bin ich wirklich zu alt für so was und nicht wusste, wie er auf so viel Vitalität reagieren sollte. Schließlich hätte die Frau neben ihm seine Mutter sein können. Und Mütter von erwachsenen Söhnen waschen Socken und holen nicht Goldmedaillen bei olympischen Spielen.

Als Trude Unruh vor fünfundzwanzig Jahren das erste und einzige Mal mit ihren Grauen Panthern in den deutschen Bundestag einzog, kam sie mir ziemlich komisch vor. Ein bisschen überkandidelt, wie hier gesagt wird. Okay, natürlich hatten auch alte Menschen Rechte und ihre Behandlung in den Pflegeheimen war auch nicht vom Feinsten. Aber deswegen gleich eine Partei gründen und auf die Barrikaden gehen? Das erschien mir doch mehr als übertrieben. Damals, heute nicht mehr.

Vor drei oder vier Jahren brauchte unsere Oma neue Hosen. Mit ihr zum Einkaufen zu gehen war bereits recht schwierig, aber wozu gibt es denn Versandhäuser? Bei Neckermann fanden wir gleich was Passendes. Ich füllte den Bestellschein aus und schickte ihn ab. Natürlich auf Omas Namen, es waren ja ihre Hosen.

Statt der erwarteten Lieferung kam ein Schreiben: Liebe Frau Sowieso, leider können wir ihre Bestellung nur gegen Vorkasse oder per Nachnahme ausführen. Ohne weitere Erklärung. Bei meinen Anruf erfuhr ich, dass ältere Menschen kein Recht mehr haben, auf Rechnung einzukaufen Können Sie mir das schriftlich geben? fragte ich. Ab welchem Lebensalter gilt das? und bekam zur Antwort: Sie glauben doch nicht, dass wir das öffentlich machen?

Die Frau, die ich neulich im Fernsehen sah, machte noch einen sehr rüstigen Eindruck. Eine Lesbe, in gestreiften Hosen und Turnschuhen, mit federndem Gang gerade auf dem Weg zum CSD. Einen Tag nach ihrem 70. Geburtstag bekam sie Post von ihrer Bank. Kein Glückwunschschreiben, eine Aufkündigung des Dispos. Den Grund erfuhr sie ebenfalls nur telefonisch. In ihrem Alter sei sie einfach nicht mehr kreditwürdig. Und außerdem habe sie ja nur ihre eigene Rente und keine zusätzliche Witwenrente zu erwarten.

Die Liebste ist Anfang Vierzig, derselbe Jahrgang wie die Ruderoma. Auch sie strotzt eigentlich vor Vitalität und Unternehmungsgeist. Alt ist sie trotzdem. Wenigstens in den Augen potentieneller Arbeitgeber. Steht in einem Arbeitsangebot Wir sind ein junges Team, weiß sie inzwischen, da braucht sie sich erst gar nicht bewerben. Ein junges Team heißt im Klartext: Wir stellen niemanden über 30, höchstens 35 Jahren ein.

Und Junge Teams scheint es überall zu geben. Früher war mir das nie aufgefallen. Erst seit ich mit offenen Augen für dieses Problem zum Einkaufen gehe, fällt mir auf, dass das Personal bei Aldi, Lidl und Konsorten vom Alter her meine Kinder sein könnten. Egal wo ich hinkomme, ob in ein Kaufhaus ist oder eine Drogerie, VerkäuferInnen in meiner Altersklasse oder gar älter scheint es nicht mehr zu geben. Auch die Arzthelferinnen scheinen ebenso wie die Bankangestellten allesamt gerade erst ihren Schulabschluss gemacht zu haben.

Warum bieten Sie mir eigentlich nie die Stellen an, die bei Ihnen ausgeschrieben sind? fragte die Liebste die Vermittlerin beim Arbeitsamt. Drucks, drucks, äh, drucksWeil wir den Auftrag haben, erst einmal die bis 25jährigen zu vermitteln. Druck, drucks, äh Klartext: Wenn ein Stellenangebot hereinkommt, wird es denen unter 25 Jahren angeboten und erst wenn die absagen, darf auch die ältere Generation ran.

Auch diesen Grundsatz gibt es natürlich nicht schriftlich, das erfährt frau nur hinter vor gehaltener Hand. Ebenso wie auch folgende Bemerkung niiiieeeeee gemacht wurde: Frauen über vierzig sind egal mit welcher Qualifikation nur noch als Putzfrauen vermittelbar.

Wie sagte mir neulich eine junge Frau? Iiiiiich brauche kein Antidiskriminierungsgesetz. Das ist doch bürokratischer Blödsinn! Wir unterhalten uns in einigen Jahren noch mal darüber

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