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Die große Müdigkeit (3): #idpet

[Ungefähr seit Anfang des Sommers befinde ich mich in einer Phase, die ich nicht einmal richtig mit einem Begriff benennen kann. Am besten lässt sie sich vielleicht als eine Mischung aus Zorn, Resignation, Frust und Burnout beschreiben. Ähnliche Situationen hat es in meinem Leben schon ein paar Mal gegeben, und zwar immer dann, wenn ich das Gefühl kaum noch ertragen konnte, mich völlig sinnlos für bestimmte Dinge zu engagieren. Wozu weiter Energie, Zeit und Nerven zu verschwenden, wo doch letztendlich alles beim Alten zu bleiben scheint? Oder manche Dinge sogar schlimmer statt besser werden?]

Vor ein paar Tagen hat der Petitionsausschuss im Landtag offiziell bekannt gegeben, dass die Petition „Zukunft – Verantwortung – Lernen: Kein Bildungsplan 2015 unter der Ideologie des Regenbogens“ (formal) keinen Einfluss auf den Bildungsplan haben wird: „… hat der Petent mit seinem Anliegen keinen Erfolg“.

Als Lesbe sollte ich darüber nur froh sein, als Demokratin überkommt mich großes Unbehagen. Auch wenn ein Großteil der Unterschriften nicht aus Baden-Württemberg stammte oder gefälscht war, bleiben immer noch ein mehrere Tausend stramme Evangelikale, Rechte und Konservative übrig, die hier leben. In den nächsten Jahren werden sie bei jeder neuen Petition laut fragen, weshalb X oder Y mit wesentlich weniger Unterschriften Gehör findet, während ihr Anliegen unter den Tisch gekehrt wurde? Die LSBTTIQ-Phobie, der Hass von #idpet wird uns also noch sehr lange erhalten bleiben und selbst dann noch Thema in den Medien und bei Teilen der Bevölkerung sein, wenn ein neuer Bildungsplan (egal mit welchen Inhalten) längst in Kraft ist: „Weißt du noch, damals, als wir 1 Million Unterschriften gesammelt haben und die grüne Regierung gesagt hat, es interessiert sie nicht, weil sie Angst vor der Homolobby hatte?“

Obwohl die Landesregierung den Gegner_innen des Bildungsplans entgegengekommen ist (Gespräche, Änderungen, Verschiebung), steht für diese fest, dass die „Mehrheitsmeinung“ im Landtag keine Chancen hat und deshalb der Protest von außen weiter verstärkt werden muss.

 

Die nächste Demo gegen den Bildungsplan in Stuttgart ist für den 19. Oktober angekündigt und bestärkt von einem Urteil gegen den Ludwigsburger Stadtrat der Linken, Oliver Kube, heißt es im Aufruf dazu:

Hervorragender Polizeischutz ist garantiert. Beim letzten Mal haben uns 900 (!) Polizisten von Gegendemonstranten abgeschirmt.

Mir sind inzwischen die Argumente und Ideen ausgegangen. Monatelang habe ich bis zur völligen Erschöpfung über #idpet geschrieben und geredet, über die Verhältnisse hier bei uns im ländlichen Raum ist wirklich alles gesagt, ich könnte mich nur immer wieder selbst zitieren. Nichts wurde besser, stattdessen gibt es Veränderungen zum Schlechteren. Inzwischen sind selbst die Liebste und ich in eine Situation mit einem homophoben und misogynen Menschen geraten, über die wir nicht mal öffentlich sprechen können, ohne dabei Dritten zu schaden. Zum ersten Mal erleben wir, wie aus bisher nur vermuteten Vorbehalten uns gegenüber ein ziemlich deutliches „Das wird man doch mal sagen dürfen“ wurde.

Wie wenig die Landesregierung, die Regierungsparteien von LSBTTIQ Jugendlichen auf dem Land wissen, verstehen oder sich auch nur dafür interessieren, zeigte mir zuletzt die Blabla Reaktion auf den Brandbrief. Es halt einfacher, sich während des CSD Saison in Städten medienwirksam in Szene zu setzen und Reden zu halten, als ganz praktische Hilfestellung in ländlichen Regionen zu leisten.

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