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Die Puderzuckerverschwörung

Ganze 39 Cent kostet das Päckchen Puderzucker beim Lidl, und bei Aldi wird der Preis nicht viel anders sein. 250 Gramm, oder wie es früher hieß: ein halbes Pfund kann frau für diese gigantische Summe erwerben, und wenn sie nicht gerade Baisers backen will oder ein Puderzuckerjunkie ist, reicht ihr so ein Päckchen dann auch für die nächsten drei Jahre.


Bei dieser langen Aufbewahrungszeit ist es natürlich nicht verwunderlich, dass der Puderzucker gelegentlich zu klumpen beginnt, und die letzten 50 Gramm nicht mehr gebraucht werden können.
Eine unglaubliche Verschwendung in den Zeiten immer knapper werdender öffentlicher und privater Haushaltskassen. Aber glücklicherweise zappe ich just in dem Moment in die Lifestylesendung Avenzio von Pro7, als dort diesbezüglich guter Rat erteilt wird:

Backofen auf 250 Grad vorheizen.
Backblech mit Backpapier auslegen
Die 50 Gramm Puderzuckerklümpchen darauf verteilen
30 Sekunden lang im Herd erwärmen
etwas abkühlen lassen
in einen Plastikbeutel geben
mit dem Nudelholz so lange überrollen, bis aus den Klümpchen wieder gebrauchsfähiger Puderzucker geworden ist

»Da kannste mal sehen«, denke ich mir. »Sparsam waltet die züchtige Hausfrau. Es wird Zeit, dass ich auch eine werde, und wir endlich zu was kommen!« In voller Vorfreude auf zukünftige Reichtümer beginne ich zu rechnen … mühselig langsam … im Kopfrechnen hapert es ein wenig bei mir:

250 = 100 %, dann sind 50=x, das müsste doch einen Dreisatz ergeben oder? Na ja, jedenfalls hat die Hausfrau oder in diesem Fall ich damit 7,8 Cent von ihrem Haushaltsgeld gespart. 7,8 Cent sind schon was, denn wie heißt es doch so schön? Kleinvieh macht auch Mist!

Ich kann es kaum erwarten, in die Küche zu kommen und Puderzucker zu entkrümeln, um anschließend die 7,8 Cent in die Spardose für den Urlaub zu schmeißen! »Halt! Nicht so schnell!« mischt sich da die kleine Zwergenfrau ein. Sie hat irgendwo in meinen Gehirnwindungen ihr Quartier aufgeschlagen und meldet sich immer dann zu Wort, wenn ich es am wenigstens gebrauchen kann.

»Die ca. 2,9 Cent Stromkosten, die das Erhitzen des Backofens auf 250 Grad verursachen, müssen natürlich erst abgezogen werden«, nörgelt sie besserwisserisch. Und nicht zu vergessen das Backpapier, das mit ca. 3,2 Cent zu Buche schlägt, vorausgesetzt es wurde bei einem Discounter erworben. Bei Edeka und Konsorten kostet es etwas mehr. Ebenso wie der Plastik/Gefrierbeutel, für ihn veranschlagt die penible genaue Hausfrau, die ja schließlich sparen will und deshalb alle Preise kennt, 1,9 Cent. Sie könnte ihn natürlich noch einmal für anderes benutzen oder bis zur nächsten Puderzuckerentkümelungsaktion aufbewahren … dann muss sie diese Kosten in drei Jahren nicht mehr vom Eingespartem abziehen.

2,9 Cent plus 3,2 Cent +1,9 Cent machen 8 Cent. Zuzüglich der Wasserkosten für den feuchten Lappen, um alles nach getaner Arbeit zu reinigen und einem grob geschätzten Abnutzungsfaktor beim Backofen, kostet das Einsparen von 7,8 Cent für die Puderzuckerkrümel insgesamt 9 Cent.
Statt eines Plus hätte ich nun ein Minus von 1,2 Cent in der Urlaubskasse.

Hä??

Ob ich nun nur mit den Fingern rechne oder den Taschenrechner zu Hilfe nehme, auch nach drei Stunden bleibt das Ergebnis immer gleich.

»Du sollst ja auch nicht sparen!« erklärt mir eine Freundin, als ich ihr davon erzähle. »Überlege mal, wann diese Sendung ausgestrahlt wird? Wer wird die wohl sehen? Zielgruppe?«

Klar, die Zielgruppe sind die sogenannten »Nur«- Hausfrauen oder Arbeitslose, andere Menschen haben kaum Zeit, vormittags so eine Sendung zu sehen!

»Und diese Leute müssen beschäftigt werden!« konstatiert die Freundin. »Stell dir mal vor, sie hätten zu viel Zeit und würden sich mit ihrer Arbeitslosigkeit politisch beschäftigen! Oder anfangen, über ihre Rolle als Frau nachzudenken! Da ist es doch besser, wenn sie sich zwei Stunden des Tages dem Puderzucker widmen und sich auch noch einbilden, dabei Geld zu sparen!«

Wie recht sie damit hat, merke ich am nächsten Tag, als ich die Sendung bewusst noch einmal einschalte. Dieses Mal gibt es als Spartipp eine Anleitung zur Herstellung eigener Kokosmilch:
Kokosnuss spalten, Fruchtfleisch lösen, klein raspeln, in 150 ml Wasser zwanzig Minuten kochen lassen, durch ein sauberes Geschirrhandtuch drücken, und schon hat frau köstliche 250 ml frische Kokosmilch!

Im Internet erfahre ich, was so eine Kokosnuss im normalen Handel zurzeit kostet … ca. 1,40 Euro.
Für 400 ml biologisch dynamisch gemolkene fertige Kokosmilch mit staatlichen und esoterischen Gütesiegeln aus dem, wohlgemerkt, an sich teuren Bioladen zahlt frau zurzeit ungefähr 4 Euro. Was sie im normalen Handel kosten würde, sehe ich erst gar nicht nach.

Die Zwergenfrau scheint zu schlafen und zum alleine Rechnen habe ich keine Lust. Es ist auch nicht nötig. Selbst einer mathematische Niete wie mir ist auf Anhieb ersichtlich, dass auch dieser Spartipp insgesamt Mehrkosten verursacht. Von dem Arbeitsaufwand einmal ganz abgesehen.

Ich bin einer Verschwörung auf die Spur gekommen! Beschäftigungstherapie und indirekte Abzocke durch Sparmaßnahmen!

Unsere Regierung macht gemeinsame Sache mit der Atomlobby, denn für die Umsetzung all dieser Spartipps wird ja Strom gebraucht und somit ganz nebenbei auch wieder Ökosteuer gezahlt.
Welchen Nutzen der Fernsehsender dabei hat, weiß ich noch nicht. Aber die Zwergenfrau wird mir bestimmt bald auf die Sprünge helfen.

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