Wenn ich aus meiner Haustür raus – oder auch durch meine Hintertür hinaus gehe – betrete ich eine Welt, die mit dem Internet kaum etwas und mit der Blogosphäre rein gar nichts zu tun hat. Der Misthaufen schräg gegenüber dampft und müffelt wie immer vor sich hin. Die Kühe gucken stets ein wenig gelangweilt und die Kamerunschafe wollen nichts anderes als fressen.
Von Alphabloggern haben sie allesamt noch nie etwas gehört, sie kennen nur den Leithammel und wissen, wenn der seinen Job nicht gut macht, droht ihm die Kastration oder gar der Schlachthof. Es geht ihm dabei kaum anders als dem Gockel, dem Alphakräher, einmal zu früh geweckt und ihm wird der Hals umgedreht.
Meine Nachbarn sind damit beschäftigt, Weihnachtsbaumkulturen anzulegen und zu rechnen, wie sie mit den erbärmlichen Milchpreisen die nächsten Monate überleben sollen. Dass neuerdings im Internet abrufbar ist, wer von ihnen wie viele Subventionen von der EU erhalten hat, ist den meisten entweder gar nicht bekannt oder sie haben noch nicht umgesetzt, welche sozialen Sprengsätze hier für die Landbevölkerung mal wieder gelegt wurden.
Bei all dem Wirbel um die re:publica habe ich mich gefragt, gibt es eigentlich Blogs von Bauern und/oder Bäuerinnen? Ernst gemeinte Blogs, nicht zu verwechseln mit den Absonderlichkeiten der RTL Serie »Bauer sucht Frau«.
Gefunden habe ich keinen, in den Blogcharts ist die Landbevölkerung auch nicht vertreten. Ebenso wenig wie Blogs aus dem Pflegebereich oder welche, die sich mit Krankheit, Behinderung oder Altwerden beschäftigen. Palliativmedizin und Hospizbewegung? Schweinemast, Zecken, Fuchsbandwurm und Artenschutz?
Ich könnte die Liste noch eine Weile fortsetzen und entdecke: Alles, was die Welt direkt vor meiner Haustür beschäftigt, kommt in den Blogcharts nicht vor. Auf die Frage: »Weißt du, wer Sascha Lobo ist?« zuckten zwei Nachbarn mit den Schultern und ein Jugendlicher war davon überzeugt: »Das ist der Gewinner von DSDS!« Auch der Name Cecilia Malström sagt niemand etwas und die Erwähnung Piratenpartei löst nur ein gutmütiges Grinsen aus.
Bei ihnen handelt es sich keineswegs um weltfremde Hinterwäldler, sie alle sind längst im Internetzeitalter angekommen und nutzen das Medium fleißig: privat, um Mails zu verschicken, um aktuelle Futterpreise abzurufen oder um sich über die letzte Gemeinderatssitzung zu informieren. Sie suchen nach Kochrezepten und Gesundheitstipps, ersteigern gelegentlich etwas bei Ebay, buchen Reisen oder bestellen bei amazon ein Buch. Da sie mehr aus Neugier als aus wirklichem Interesse gelegentlich auch bei der Karnele vorbeisurfen, wissen sie inzwischen sogar, was Trolle sind und können es nicht fassen, für welchen Blödsinn manche Leute Zeit haben.
»Was Toplisten im Netz eigentlich sollen, hab ich nie begriffen«, twitterte vor ein paar Tagen @modern_dragon und ich kann da nur zustimmen. Vor ungefähr zwei Jahren habe ich mich mal ein wenig näher mit Dingen wie dem PageRanking und SEO beschäftigt. Im Grunde genommen ist mir nicht gelungen, das Prinzip wirklich zu begreifen. Bei Alexa fiel mir neulich auf, je höher meine Besucher_innen- und Seitenzugriffszahlen steigen, desto schlechter wird dort mein Wert. Eigentlich hätte ich ja gedacht, es funktioniert genau andersrum.
Ein Fachmann schrieb mir in einer unerbeten Mail: »Ihre Seite ist nicht bei DMOZ registriert, das wirkt sich auf das PageRanking negativ aus. Für 45,00 € Basisgebühr optimieren wir Ihren Webauftritt!« Und ein anderer Werbefuzzi, der es leider durch den Spamfilter geschafft hatte, bedauerte, dass »Frau Karnele Haige Tabler« nicht bei Wikipedia »referenziert« sei. Hä?
Dem SEO-Fachmann, der DMOZ erwähnte, habe ich sogar geantwortet. Ich hatte gerade Zeit und Lust dazu und habe ihm empfohlen, seine eigenen Programme erst mal auf den neusten Stand zu bringen, bevor er anbietet, die Webseiten anderer Leute zu bearbeiten. Denn die Karnele ist mal als Karnele verlinkt, oder mal, wie z. B. bei DMOZ, unter Nele Tabler. Das scheint die selbst ernannten Optimierungsfanatiker schlicht zu überfordern – genauso wie die Tatsache, dass sich aus »Karnele« keine vernünftigen seitentypischen Suchbegriffe generieren lassen … weshalb mein PageRank wohl nie ansteigen wird. Zu dumm aber auch, dass ich vor neun Jahren nicht daran gedacht habe, wie sich die Namensgebung mal auf das Ranking meiner Seite auswirken wird.
Dass es so was wie Blogcharts gibt, weiß ich erst seit ein paar Monaten. Manche Themen bei netzpolitik.org, der derzeitigen Nummer 1, interessieren mich, auch wenn ich vieles wesentlich gelassener sehe. Das hängt wohl mit dem Alter zusammen und der Tatsache »Alles schon mal in irgendeiner Form da gewesen«.
Bei der Nummer 2, den Nerds, habe ich schon mal das Problem: »Was sind eigentlich Nerds?« Und alle zusammen mögen zwar in der virtuellen Welt eine wichtige Rolle spielen – irgendwie müssen sie es ja auf die ersten Plätze geschafft haben – aber in der Welt vor meiner Haustür sind diese Blogs so was von uninteressant, der Mückenschiss auf der Fensterscheibe spielt sicher eine wichtigere Rolle. Man kennt sie nicht und selbst wenn man zufällig mal darüber sollte: Die Insidersprache schreckt ab. Wie soll etwas wichtig sein, das nicht in einer allgemein verständlichen Sprache vermittelt werden kann?