»Homosexualität (bzw. Homophilie) ist eine sexuelle Orientierung, bei der Liebe, Romantik und sexuelles Begehren ausschließlich oder vorwiegend für Personen des eigenen Geschlechts empfunden werden. Homosexuelle Frauen werden auch Lesben und homosexuelle Männer auch Schwule genannt …« Wikipedia
»Wir sind die homosexuellen Frauen«, sangen die Flying Lesbians und beschrieben damit wunderbar die Begriffsverwirrung, die noch heute in den Köpfen herrscht. Homosexuell = schwul = lesbisch?
»Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt«, heißt der berühmte Film von Rosa von Praunheim. Er gilt als eine Art Urknall der Emanzipation der Schwulen im deutschsprachigen Raum und wird noch heute gern bei passenden als auch unpassenden Gelegenheiten angeführt.
Es ist schon lange her, seit ich ihn gesehen habe, aber wenn ich mich richtig erinnere, kommen Lesben darin nicht vor. Dennoch wurde mir erst vor Kurzem von einem Schwulen erklärt, wie dankbar ich dem Filmemacher zu sein hätte. Ohne dessen Engagement dürfte ich mich heute nicht so frei als Lesbe bewegen, wie ich das derzeit tue. Und ich sei ja wohl geistig ein wenig minderbemittelt, wenn ich nicht wüsste, dass Homosexuelle automatisch auch Lesben seien.
Wenn ich mich bei meinen Nachbar_innen oder Verwandten, also bei Lieschen Müller und Otto Normalverbraucher, nach dem Begriff homosexuell oder Homosexualität erkundige, erhalte ich durch die Bank weg als Antwort: »Schwul, Schwule, Männer, die Männer lieben.«
Erst auf Nachfragen und einigem Nachdenken erwägen sie die Möglichkeit, dass damit eventuell auch Frauen gemeint sein können. Doch so richtig einleuchten will ihnen das nicht und schon gar nicht verbinden sie das Wörtchen schwul mit Frauen bzw. mit Lesben.
Bei »Gewalt gegen Schwule« wie die TAZ neulich einen Artikel überschrieb, ginge es ihrer Ansicht nach dann ausschließlich um Männer, selbst wenn da später geschrieben steht: »Im Jahr 2010, und nicht erst seitdem, häufen sich nun wieder Meldungen aus vielen Ländern Europas, in denen Schwule, Lesben und Transgender Opfer von gewalttätigen Übergriffen werden.«
Ebenso irritieren würde sie wahrscheinlich auch dieser Text: »Die deutsche Schwulenbewegung in der Krise?!?!«, der mit dem Satz beginnt: »In den vergangenen 30 Jahren haben Schwule, Lesben und Transgender vehement für ihre Rechte gekämpft …«.
Eine Freundin von mir, die sich selbst als »schwule Lesbe« bezeichnet, würde wahrscheinlich die Verwirrung komplett machen. Übrigens: Einen »lesbischen Schwulen« habe ich bisher noch nicht auftreiben können.
A und B sind ein schönes Paar. Während eines Abendspaziergangs machen sie auf einem Brückchen Halt und fangen an zu knutschen. Ein Mann kommt vorbei und pöbelt sie an. Ein Wort gibt das andere, der Mann tritt A in den Bauch und ergreift schließlich die Flucht, als B ein Pfefferspray aus der Jackentasche zieht.
Diese Geschichte ist einem Lesbenpaar vor nicht all zu langer Zeit genau so passiert. Natürlich haben sie Anzeige erstattet, der Täter konnte allerdings nicht ermittelt werden. In den Zeitungen war darüber nichts zu lesen und es ging kein Aufschrei der Empörung durch Twitter. Die beiden Frauen haben ihren Freundinnen fast schon beiläufig davon erzählt, ohne großes Theater darum zu machen. Verbale Anmache bis zu handgreiflichen Belästigungen kennen wir schließlich alle und sind eigentlich immer nur froh, wenn wir nicht wirklich schwer verletzt werden.
C und D sind auch ein schönes Paar. Während eines Abendspaziergangs bleiben sie an einem Bushäuschen stehen und fangen an zu knutschen. Ein Mann kommt vorbei und pöbelt sie an. Ein Wort gibt das andere, der Mann tritt C in den Bauch und ergreift schließlich die Flucht, als D ein Pfefferspray aus der Jackentasche zieht.
Zugegeben, ein erfundener Vorfall, der allerdings wirklich so passiert sein könnte. Bei C und D handelt es sich um ein schwules Pärchen und alle Welt soll davon erfahren. Mahnwachen am Bushäuschen, Schlagzeilen wie: »Jetzt reicht es langsam!« und in Blogs wird wieder einmal über die Gefahren geschrieben, denen schwule Männer ausgesetzt sind.
Gewalt gegen Frauen ist ein alter Hut, ein Thema, über das bereits vor Jahren alles gesagt wurde und nur noch auf Interesse stößt, wenn es mal wieder so richtig brutal zuging und das Opfer mindestens krankenhausreif geschlagen wurde.
Gewalt gegen Schwule ist auch nichts Neues. Sie wurde lange Zeit verschwiegen und schon deshalb ist es wichtig und nötig, dass endlich die Öffentlichkeit darauf aufmerksam wird.
»Frau überfällt Schwulen in Berlin«, wurde heute bekannt. Jetzt gingen nicht nur heterosexuelle Männer, sondern auch Frauen auf Schwule los, hieß es.
»Mann überfällt Lesbe …«
Was ist nun mit der Gewalt gegen Lesben? Wahrscheinlich sollen wir uns glücklich schätzen, dass wir sogar eine Wahl haben: Entweder reihen wir uns bei den Frauen oder den Homosexuellen ein.