»Heute ist Weltverbrauchertag!« jubelt der nervig muntere Moderator bereits morgens um fünf im Radio und teilt gleich mal mit, dass die Kalbsleberwurst so ziemlich alles enthält außer Kalbsleber. Das sei keineswegs Betrug, sondern fürsorglich in den Richtlinien für die Wursterzeugung unter Paragraf xyz fest geschrieben, da deutsche Zungen den Geschmack der Kalbsleber an sich nicht ertragen könnten. Glücklicherweise essen weder ich noch die Liebste Kalbsleberwurst.
Thunfisch isst die Liebste schon. Verschlafen kommt sie gerade rechtzeitig ins Zimmer gewankt, um zu erfahren, dass das durchgestrichene Bild eines Delfins im Fischernetz auf den Etiketten der Thunfischdosen nichts zu bedeuten hat. Gesetzlich nicht geregelt können solche Bilder überall aufgedruckt werden, zum Beispiel auch auf Ananasdosen.
Wer keine Delfine ermorden und trotzdem Thunfisch essen will, soll bei ??? eine entsprechende Liste anfordern, sagt der Moderator. Na ja, er ist ja ausgeschlafen. Wir nicht, und deshalb wissen wir nicht, wo es die Liste gibt. Wir brauchen erst mal Kaffee. Viel Kaffee, um unsere kleinen grauen Zellen in die Gänge zu bringen. Und ganz schnell, bevor uns anlässlich dieses Tages noch die Horrorstorys über den Kaffee aufgetischt werden.
Gegen Sieben fordert der Moderator die lieben Zuhörer und Zuhörerinnen dazu auf, mit eigenen Geschichten und Erfahrungen zur Sendung beizutragen. »Ruf an und erzähle von der Brotbackmaschine«, grinst die Liebste.
Ich bin zu faul zum Anrufen. Und zu teuer ist es mir auch. Und ich finde die Brotbackmaschine mittlerweile wirklich praktisch, auch wenn sie zunächst ihr Dasein auf unserem Schlafzimmerschrank fristen musste. Außerdem, was hat sie mit dem Weltverbrauchertag zu tun?
»Wenn die Bezeichnung dieser Maschine keine Irreführung der Verbraucherinnen ist, dann weiß ich nicht, was Irreführung sonst sein soll«, sagt die Liebste.
Wie so oft hat sie auch hier recht. Hat schon mal eine versucht, ein Brot in einer Brotbackmaschine zu backen? An sich keine schlechte Sache: Alle Zutaten wie Mehl, Wasser, Hefe, Nüsse in den Pott schmeißen, entsprechendes Programm einstellen und warten, bis es Stunden später piepst.
Das Brot riecht gut und sieht auf den ersten Blick gut aus. Den Schönheitsfehler erkennt mensch erst auf den zweiten Blick. An einem Ende ist der Knethaken eingebacken. Das Herauspulen hinterlässt ein großes Loch, und das Brot wirkt so unappetitlich, als habe bereits eine ganze Mäusefamilie ihr Mittagessen daran abgenagt.
Doch durch Zufall stellten wir fest, dass die Brotbackmaschine sich bestens zur Herstellung von Hefeteig eignet. Hefeteig, der dann im herkömmlichen Backofen zu Brot verbacken wird. Auch Marmelade kann in dieser Maschine gekocht und leckere frische Kräuter-Knoblauch-Butter geschlagen werden.
Angeblich lässt sich auch Joghurt damit herstellen, was wir allerdings noch nicht ausprobiert haben. Bisher noch nicht, denn inzwischen erzählt der Moderator, dass ein Erdbeerjoghurt gerade mal einen Anteil von 0,01 Prozent Erdbeeren enthält, dafür aber eine Handvoll Sägespäne. Gerechterweise fügt er hinzu, dass es sich um besondere Sägespäne handelt. Sie werden eigens aus Australien importiert und sollen fast wie Erdbeeren schmecken.
»Mir wird schlecht!« stöhnt die Liebste. »Such mal einen anderen Sender!«
Zu spät, jetzt hören wir noch von der Hühnersuppe mit Nudeln. Sie besteht aus gerade mal zwei Gramm Nudeln, keinerlei Huhn, wird dafür aber mit Klärschlamm angereichert. Beim Sender nebenan ist der Weltverbrauchertag auch gerade Thema. Hier wird von Säften berichtet, die eigentlich ein Hormoncocktail sind und pikanterweise aus einem Betrieb mit Ökosiegel stammen.
»Mir reicht’s!« Die Liebste drückt energisch die Zigarette aus und verschwindet erst im Bad und dann außer Haus. Sie hat es gut, sie darf gehen. Ich muss weiter Radio hören, schließlich habe ich spontan beschlossen, die Infos dieses Tages in einer Kolumne zu verwerten.
Weiß eine was hydrolysierte Gelatine ist? Ich weiß es jetzt. Damit, dadurch, oder was auch immer, wird dem Schinken Wasser zugesetzt. Ganz legal und ein Schinken besteht dann aus 35 % Wasser, ohne dass wir etwas merken.
Und weil ich gerade die Brotbackmaschine erwähnt habe: Eine amerikanische Firma hat ein Patent auf die Verwendung von Vogelfedern für einen Backzusatz im Brot erhalten. Vielleicht sollte ich das Zeug, das aus dem Vogelkäfig herausfliegt, nicht mehr aufsaugen, sondern mich schleunigst um einen Abnehmer kümmern. Da tun sich ungeahnte finanzielle Möglichkeiten auf. Ich bin zwar angeekelt, aber ganz bei der Sache.
Die Geschichte von den Fischstäbchen, die aus Fischabfällen hergestellt werden, ist ein alter Hut. Damit kann mich kein Moderator mehr erschrecken, das weiß ich schon seit zwanzig Jahren. Stattdessen greife ich sie dankbar als Tipp für Omas Mittagessen auf. Fischstäbchen und Kartoffelbrei aus der Tüte, in ihrem Alter ist sowieso schon alles zu spät. Da macht ein bisschen Chemie und Abfall mehr oder weniger im Essen auch nichts mehr aus.
Glücklicherweise habe ich der Oma das Essen schon serviert, als das Thema Klärschlamm noch einmal aufkommt. In Japan werden dessen feste Substanzen, wie zum Beispiel logischerweise gebrauchtes Klopapier, bei hoher Temperatur verkocht. Der so entstandene Brei wird vermischt mit Soja als köstlicher Fleischersatz angepriesen.
Ich traue mich noch nicht mal mehr zu kotzen, das landet doch bloß im Klärschlamm.
Es lebe der Weltverbrauchertag! Guten Appetit!