Sara Gilbert, die Darlene aus »Roseanne«, hat sich vor ein paar Tagen im US Fernsehen offiziell als Lesbe geoutet. Weltweit oder richtiger: überall dort, wo man die Serie kennt, war dieses Ereignis den Medien eine Meldung wert. Auf einem italienischen Blog wurde sogar von einer Sensation gesprochen.
Bei uns fragten einige Lesben spöttisch: »Wie nennt man eigentlich eine Frau, die seit acht Jahren mit einer anderen Frau zusammenlebt und mit ihr zwei Kinder großzieht?« Ganz nach dem Motto: »Gähn, das ist doch keine Neuigkeit. Das haben wir uns doch alle schon lange gedacht.«
Gerade in Deutschland waren nach dem Krieg Frauen, die sich als Paar zusammentaten und gemeinsam ihre Kinder versorgten, keine Seltenheit. Gewiss mögen auch einige Lesben darunter gewesen sein, aber meist handelte es sich Zweckgemeinschaften. Es gab sogar so viele davon, dass die Zeitschrift Constanze in den Fünfziger Jahren für diese Paare einen offiziellen Ehestatus forderte.
So hätte es durchaus auch sein können, Sara Gilbert und ihre Lebensgefährtin sind nur beste Freundinnen, die sich zweier Waisenkinder angenommen haben. Oder sie sich vielleicht als zwei alleinerziehende Mütter gegenseitig unterstützen wollten. Denn zwischen dem, was wir uns denken und über andere Menschen vermuten, und einem Outing vor einem Millionenpublikum besteht ein himmelweiter Unterschied.
Dieses Thema kocht in der lesbisch-schwulen Szene immer wieder mal hoch. Dabei geht die Bandbreite der Meinungen weit auseinander, vom medienwirksamen Zwangsouting bis zur unbedingten Geheimhaltung werden viele Möglichkeiten durchgekaut.
Wie andere Lesben und Schwule auch ärgere ich mich häufig über Promis im Schrank, die aus ihrer Homosexualität ein Geheimnis machen. Bei so manchem Gesicht, das auf dem Bildschirm auftaucht, winken die Liebste und ich schon mal und rufen: »Guck mal, die geheime Lesbe ist wieder im Fernsehen.«
Einige Situationen entbehren nicht einer gewissen Absurdität: Wenn beispielsweise auf Veranstaltungen über die sexuelle Identität von Ministerinnen oder Fußballerinnen lang und breit spekuliert wird und sich am Ende zwanzig oder sogar noch mehr Frauen gegenseitig versichern, dieses Geheimnis nicht als Gerücht zu verbreiten.
Ab und zu, wenn mal wieder entsprechende Suchbegriffe bei der Karnele landen, muss ich mich zusammennehmen, um nicht irgendwann mal zu schreiben: »Vollkommen richtig, meines Wissen sind Herr X und Frau Y tatsächlich homosexuell. Das könnten A und B und C bezeugen, wenn sie wollten.«
Jedes einzelne Outing bedeutet für uns ein weiteres Schrittchen in Richtung Normalität. Vorbilder machen nicht nur für Junglesben das Coming Out leichter. Wobei in Köln oder Berlin natürlich vollkommen andere Bedingungen herrschen als hier bei uns im ländlichen Odenwald.
Je mehr sichtbare Lesben es gibt, desto weniger werden die Liebste und ich als Exotinnen betrachtet werden. Ab und zu beim Einkaufen spotten wir auch schon mal, demnächst einen Lesbenzoo zu eröffnen und Eintrittskarten zu verkaufen. Es ist manchmal nämlich verdammt anstrengend, das einzige wirklich öffentliche Lesbenpaar in einem Umkreis von mindestens 50 km zu sein.
Andererseits verstehen wir natürlich die Gründe, weshalb z.B. gerade Frauen in der Politik davor zurückschrecken. Auch die Bedenken der Fußballspielerinnen leuchten mir ein, seit ich mich mal mit dem Trainer einer Mädchenmannschaft unterhalten habe. Es gibt Eltern, die ihren Töchtern diesen Sport verbieten oder erst nach gutem Zureden erlauben, weil sie befürchten, ihr weiblicher Nachwuchs bekäme dann sofort das Etikett »lesbisch« verpasst. Nebenbei, es würde mich sehr interessieren, ob durch die Diskussion über Schwule in der Nationalmannschaft nun auch Ängste bezüglich der Söhne ausgelöst wurden.
Auf Twitter wurde mir die Frage gestellt, ob sich denn heutzutage überhaupt noch jemand outen müsste, das sei doch inzwischen alles so selbstverständlich. Nein, das ist eben nicht, wie auch gerade wieder die Medien bewiesen haben, als sie Sara Gilberts Outing aufgegriffen und verbreitet haben.
Ich habe keine Ahnung, weshalb sie erst jetzt damit herausgerückt ist oder welche Gründe sie hatte, bis dahin nicht darüber öffentlich zu sprechen. Aber ich bin ihr dankbar dafür, dass sie es getan hat.