Noch nie waren die Wechseljahre so interessant wie heute, könnte man wenigstens glauben, wenn man z. B. bei amazon dieses Stichwort eingibt. 2.242 Treffer zeigen an, dass darüber enorm viel geschrieben und gelegentlich dann wohl auch gelesen wird.
»Gesund und selbstbewusst« – »Voller Energie« – »Positiv und entspannt« – »dem Leben eine neue Richtung geben« lauten die jeweiligen Untertitel und machen klar, eigentlich passiert hier eine Katastrophe. Doch solange Frau im Wechsel nur laut genug pfeift, lässt sich schon irgendwie damit umgehen. Vor Kurzem hat es auch eine Minifernsehserie zum Thema gegeben, die ich mir allein schon wegen der Schauspielerinnen sehr gerne angesehen hätte, aber leider keine Zeit dafür gefunden habe.
Selbst Lesben kommen in die Wechseljahre, wie wenigstens ein einziges deutschsprachiges Buch aus dem Jahr 2006 erklärt. Aber das passiert wirklich nur selten, manche schaffen es ja nur mit viel Mühe und Schubsen aus Schrank raus, da wäre dann ein weiterer Wechsel, wann und wohin auch immer, wirklich zu viel verlangt.
Zu den Wechseljahren gehört, dass frau ihr Alter am eigenen Leib zu spüren bekommt. Es helfen weder Schminke, Haarfarbe noch Kontaktlinsen. Gegen die Menopause, Migräne und Hitzewallungen bräuchte es schon geballte Hormonladungen, mit äußerlichen Korrekturen allein ist es nicht getan.
»Ich bin in den Wechseljahren, aber mir geht es wunderbar«, verkündeten in den letzten Jahren immer wieder mal Freundinnen und gaben erst nach einem strengen Verhör zu, dass sie eigentlich litten, sich unwohl fühlten, von der Ärztin zum Heilpraktiker rannten und am liebsten die ganze Welt und sämtliche Göttinnen verflucht hätten für das, was ihnen da gerade passierte.
Das wäre natürlich einer Bankrotterklärung gleich gekommen, schließlich hatten gerade wir in den Siebzigern als damals junge Feministinnen die Parole herausgegeben, Wechseljahre seien eine Erfindung von Männern zwecks Lächerlichmachen von Frauen. Bzw. die Ansicht vertreten, diese Phase helfe uns dabei, uns zu erden und auf einen neuen Lebensabschnitt vorzubereiten. Das war in der Zeit, als wir uns auch mit unserer Gebärmutter und Vagina unterhielten. Irgendwie scheinen wir dabei vergessen zu haben, nebenbei noch die Eierstöcke zu besprechen und sie zur Produktion bis an unser Lebensende anzuhalten.
Der allgemeine Jugendlichkeitswahn in unserer Gesellschaft, Schauspielerinnen, die in Talkshows auftreten und im Brustton der Überzeugung verkünden: »Ich bin zwar über achtzig, fühle mich aber wie sechzig und sehe aus wie vierzig«, sowie all die innerlichen und äußerlichen Hilfsmittelchen, die es gibt, haben dafür gesorgt, dass heute die Wechseljahre eigentlich kein Problem mehr sein dürften und dennoch eine Lebensphase sind, vor der sich Frauen jetzt noch viel mehr als in früheren Zeiten fürchten. Denn heutzutage werden sie nicht mehr als unerwünscht, aber unvermeidlich akzeptiert, sondern bedeuteten für Frauen, die sich nicht langsam aufs Altenteil zurückziehen und auf die Rente und Enkelkinder vorbereiten wollen, Stress pur.
Gerade in den letzten Tagen habe ich häufiger über dieses Thema nachgedacht, jedes Mal wieder, wenn in den Blogs Eva Hermans unsägliche Äußerungen zur Loveparade irgendwo erwähnt wurden. Diese Frau mag ja vieles sein, eines ist sie mit Sicherheit jedoch nicht: dumm.
Ich habe keine Ahnung, ob sie sich in den Wechseljahren befindet, sie ihr noch bevorstehen oder vielleicht schon vorbei sind. Aber an irgendeinem Zeitpunkt, vielleicht so nach ihrem 45. Geburtstag, wird sie sich wohl überlegt haben, wie es mit ihr weitergehen soll. Wie viele Jahre ihr noch auf dem Bildschirm, als Sprecherin der Tagesschau und Moderatorin zu gestanden werden. Wann ihr nahe gelegt werden wird, doch künftig in Hintergrund zu arbeiten, statt zu moderieren besser als Redakteurin zu recherchieren oder eventuell mal den Hörfunk in Erwägung zu ziehen.
Sicher hat sie auch daran gedacht, wie viel schwieriger es von Jahr zu Jahr wird, makellos aussehen. Welche Zeit es kostet, sich zu schminken und die Haare zu färben, immer in Panik, dass die ersten Forderungen von Zuschauern und auch Zuschauerinnen gestellt werden: »Schickt die alte Kuh endlich in Pension, diese Falten sind doch eine Zumutung.« Sie wird sich sehr bewusst darüber gewesen sein, dass nicht nur ihre biologische, sondern auch ihre »Bildschirm« Uhr immer schneller tickte.
Viele Frauen, die ich kenne, hätten in dieser Situation wahrscheinlich über weitere Standbeine nachgedacht, eine Produktionsfirma gegründet, ein Buch mit dem Titel »Meine Jahre als Tagesschausprecherin« vorbereitet oder eine Schule für Moderator_innennachwuchs geplant.
Eva Herman hat sich für einen anderen Weg entschieden. Vielleicht auch, weil sie durch diese Überlegungen sehr deutlich erkannte: In den Siebzigern hat man uns den roten Faden unserer Mütter geklaut, aber keine praktikablen Alternativen an die Hand gegeben. Mag sein, dass sie in diesem Moment ebenso wütend geworden ist, wie ich es eine Zeitlang gewesen war.
Das sind nur Spekulationen, doch wenn ich darüber nachdenke, weshalb eine bis dahin vernünftig wirkende Frau derart außer Rand und Band geraten konnte, komme ich immer wieder zu dem Schluss: Sie glaubt allenfalls die Hälfte von dem Mist, den sie verbreitet.
Ich bin davon überzeugt, dass sie sich ganz kühl überlegt hat, wie sie langfristig weiter gut verdienen und gleichzeitig dabei im Rampenlicht stehen kann. Sie hat eine Marktlücke entdeckt und weiß, je mehr Menschen sich über sie und ihre Thesen aufregen, desto mehr wird sie in aller Munde sein, Bücher verkaufen und von ihren Fans gehätschelt und getätschelt werden.
Über eine irgendwann aus Altersgründen ausrangierte Nachrichtensprecherin hätte sicher niemand ein ganzes Buch verfasst. Die vom Mainstream verfolgte Unschuld ergab genug Material für 200 Seiten. Wobei es mich allerdings sehr wundert, dass die Verbindung Herman/Hoffmann nur in gewissen Kreisen zur Kenntnis genommen wird. Über einen Tweet habe ich noch Stunden später gelacht, allerdings bezweifle ich, dass der Verfasser sich darüber klar war, was er da eigentlich geschrieben hatte.