Zum Inhalt springen

Schwulenverehrung und Lesbenhass. Von Phoenix über dpa bis GQ

Als ich heute früh aufgewacht bin, war ich noch genauso wütend wie ein paar Stunden zuvor beim Einschlafen. Es wird wohl eine Weile dauern, bis ich den gestrigen Tag verarbeitet haben werde.

Begonnen hatte er eigentlich relativ harmlos, mit Üblichem, über das ich beinah täglich stolpere: dem Begriff Schwulenbewegung in einem Kontext, wo es um Lesben und Schwule geht. Dieses Mal gefunden auf der Seite des Senders Phoenix. Same procedure as usual: Ich motzte öffentlich, mailte den Sender an, bat um Änderung und erhielt darauf keine Reaktion.

Ein paar Stunden später meldeten zeitgleich viele Medien, der Europäische Gerichtshof in Luxemburg habe geurteilt: „Gleiche Vorteile für schwule Lebenspartner wie für Verheiratete“. Im weiteren Text wurde dann von homosexuellen Paaren gesprochen und auch im französischen Original war von „les couples homosexuels“ und „même sexe“ die Rede. Aus unerfindlichen Gründen hatte es dpa für angebracht gehalten, schnell mal noch „schwul“ mit ins Spiel zu bringen, ganz so, als beträfe dieses Urteil keine Lesben.

Ebenfalls nichts Neues, auch das passiert mindestens einmal die Woche und sagt zunächst viel über die Qualität der Arbeit in Redaktionen aus. Im Gegensatz zu früher werden heutzutage Meldungen von Presseagenturen nicht mehr bearbeitet, sondern kommentarlos eins zu eins übernommen. Nicht normal hingegen war gestern, dass dpa nach vielen Tweets seinen Fehler endlich begriff und die Meldung tatsächlich auch änderte. Etwas Ähnliches ist in der letzten Zeit nur noch ein einziges Mal vorgekommen: bei der Frankfurter Rundschau. In der Regel reagieren Zeitungen und Sender entweder mit Schweigen oder pampigen Antworten, anstatt irgendetwas zu korrigieren.

Irgendwann am Nachmittag wurde mir dann endlich die Sache mit GQ und ihrer Aktion #Mundpropaganda richtig bewusst. Noch am Tag zuvor hatte ich die küssenden heterosexuellen Männer toll gefunden und nur bedauert, dass es kein Pendant mit Frauen z. B. in der Brigitte gab.

Wie die Liebste es so schön ausdrückte: „Im Dorf Edeka liegen nun mal keine Männermagazine im Zeitungsregal“. Einer der Gründe, weshalb wir beide bisher von GQ noch nie etwas gesehen oder gelesen hatten. Dachte ich wenigstens zunächst, später frischte phenomenelle meine Erinnerung auf. „Stich ins Lesbennest“, ein unsäglicher Artikel über einen Macho, der Lesben aufreißen will, dabei sämtliche Klischees aus der untersten Schublade bedient und nebulös schwammig mit etwas endet, das meinem Gefühl nach in Südafrika unter dem Begriff „corrective rape“ läuft: Lesben solange vergewaltigen, bis sie einsehen, wie toll Heterosex ist.

Inzwischen war das Männermagazin mit seiner Aktion #Mundpropaganda wirklich in aller Munde. Von den Macher_innen der Lindenstraße über die ARD bis SpOn überschlugen sich alle vor Begeisterung, auch dem LSVD und der Magnus Hirschfeld Stiftung schien es zu gefallen. @noiseburst1 platzte als Erster der Kragen und begann, viele direkt anzusprechen:

„ Dann setzt doch auch ein Zeichen gg Lesbophobie in der GQ @ARDde @NJOYDE oder wollt ihr mehr davon: gq-magazin.de/unterhaltung/e… #Mundpropaganda“

„Wie wärs mal mit vollem Einsatz gg Lesbophobie, @GrueneLtNds? Die findet GQ nämlich super: gq-magazin.de/unterhaltung/e… #mundpropaganda“

Stunden und gefühlte tausend Tweets später nahm GQ endlich den Artikel vom Netz und machte den Versuch einer Entschuldigung:

„An dieser Stelle stand ein Artikel aus dem Jahre 2005, dessen Inhalt und Aussage wir heute nicht mehr teilen. Wir haben den Text deshalb entfernt.“

Dass es sich um einen älteren Text handelte, macht in meinen Augen die Sache keineswegs besser, sondern eher noch schlimmer. Er unterschied sich optisch in keiner Weise von dem anderen Content des Magazins, war nicht mit einem Datum gekennzeichnet und hätte durchaus auch aus der letzten Woche stammen können. Die Macher von GQ waren bereits mehrmals von Lesben gebeten worden, ihn zu entfernen. U.a. einmal von mir, nachdem die Karnele und GQ direkt untereinander in einem pornografischen Linkverzeichnis aufgeführt worden waren und sich ein sabbernder Suchender empört bei mir beschwerte, weil er keinen Lesbensex fand. Das ist schon eine Weile her, und weil Ähnliches immer wieder passiert, hatte ich es längst vergessen.

Die Herren von GQ wussten also ganz genau, was da auf ihrer Seite zu lesen ist und fanden den Artikel auch noch gestern um 20.07 Uhr völlig in Ordnung. Schließlich hätten sie seit Jahren etwas gegen die Lesbophobie unternehmen können, wenn sie denn gewollt hätten. Aber Lesbensex bringt nun mal Klicks, gerade wir bloggenden Lesben wissen, wie häufig sich geile Kerle auf unsere Seiten verirren. Wie groß muss der Andrang erst sein, wenn es tatsächlich etwas zum Lesen gibt?

Auch all die Männer, die für GQ geknutscht haben, hätten sich im Vorfeld darüber informieren können, für welches Blatt sie sich da in Szene setzen. Sie hätten es nicht nur können, meiner Meinung hätten sie es auch tun müssen. Ich gebe schließlich auch keinem Maskublatt ein Interview, nur weil man mich mit einer vermeintlich tollen Aktion lockt, sondern recherchiere erst einmal, wer da was von mir wissen will. Von Prominenten, die tagtäglich mit Medien zu tun haben, erwarte ich eine umso größere Sorgfalt.

Und dann all diejenigen, die sich so lobend geäußert haben und besonders diejenigen, die von @noiseburst1oder anderen direkt angesprochen worden sind: Euer Motto lautet wohl „Schwulenverehrung und Lesbenhass.“ (Zitat von @engl). Oder warum reagiert Ihr nicht?

Auf der Karnele werden Cookies gesetzt, z.B. von Anbietern verschiedener Wordpress Plugins und IONOS, dem Webhoster. Wenn Du hier weiterliest, akzeptierst Du deren Verwendung.