Zum Inhalt springen

Sehr geehrte Damen und Herren von ARD und ZDF

Sehr geehrte Damen und Herren von ARD und ZDF,

heute früh gab unser Fernseher ein Geräusch von sich, das sich ungefähr wie „Pppuuuffff“ anhörte, und seitdem verweigert er seinen Dienst. Gut, er ist nicht mehr der Jüngste, wir haben ihn von meiner Großmutter geerbt, doch bisher hat er unseren bescheidenen Ansprüchen an Bild und Ton immer genügt.

Die Liebste und ich sind voller Trauer und wirklich sehr, sehr böse auf Sie. Ohne jeden Zweifel haben Sie mit Ihrem lausigen Programmangebot der letzten Wochen unserem armen Fernseher den letzten Funken Lebenswillen genommen und somit sein Ableben dramatisch beschleunigt.

Letzen Samstag zum Beispiel, also heute vor einer Woche, da dachten wir, ein bisschen Unterhaltung vor dem Einschlafen wäre vielleicht nicht schlecht und haben kurz vor 23 Uhr nachgesehen, was Sie denn uns für unsere Gebühren so zu bieten haben.

In der ARD gab es drei Männer mit Schlapphüten, die sich gegenseitig Revolver an den Kopf hielten. Im ZDF wurde geboxt und auf Arte führte eine Asiatin Gymnastikübungen mit einer Art Billardstock vor. Bei 3SAT ging es um das Elend Brasiliens, in Bayern rettete Joachim Fuchsberger ungefähr zum 1000. Mal Karin Baal vor Londoner Bösewichten, beim SWR stand der Rhein in Flammen – übrigens auch in Hessen. Die Sommerkomödien von WDR und NDR lagen bereits in den letzten Zügen und auch die folgenden Filme interessierten uns nicht. RBB können wir bei gutem Wetter nicht empfangen, allerdings hatten wir auch den Wallanderkrimi erst vor Kurzem in der ARD gesehen. Bei BRAlpha wurde sinnfrei diskutiert und auf Phönix sang Johnny Cash.

Am nächsten Tag, dem Sonntag, bestand das Nachmittagsprogramm der ARD aus diversen Sportarten ohne Fußball. Das ZDF zeigte einen Film mit dem Titel „Maske 2“, auf Arte und 3SAT wurde gereist. Dann gab es noch „Alter Kahn und junge Liebe“ und „Die Lindenwirtin vom Donaustrand“, zwei Heimatfilme aus dem Jahr 1957, und weitere uninteressante Schmankerln der Marke „Volksverdummung“.

Nun, ich will mal hoffen, dass Sie Ihr Programm natürlich selbst am besten kennen und ich mir eine weitere Aufzählung über das Angebot während der restlichen Tage der Woche hier sparen kann.

Es mag Sie irritieren, ja vielleicht können Sie es nicht einmal wirklich glauben, aber die Liebste und ich interessieren uns nicht für Sport, wenigstens nicht, wenn andere ihn ausüben. Es ist uns vollkommen egal oder ganz ordinär ausgedrückt: Es geht uns am A… vorbei, welche WM, EM, Olympiade oder Kreismeisterschaft gerade stattfindet. Uns macht es keinen Spaß, Menschen beim Hüpfen, Segeln, Tanzen oder Rodeln zuzusehen. Und Dinge wie stundenlang mit einem Auto im Kreis herumzufahren oder sich gegenseitig auf die Nase zu hauen, halten wir schlicht für pervers.

Auch Lenas Gesang, so niedlich sie selbst ja sein mag, fällt nicht in unser Interessengebiet und somit auch nicht der Contest, die Vorentscheidungen oder Nachempfänge am Flughafen. Volksmusik und Schlager, Hansi Hinterdingskirchen und Florian Silbernochwas ertragen wir höchstens mal als Parodie.

Heidi Kabel mag sicher eine beliebte Volksschauspielerin gewesen sein und ich will ihre Verdienste um die deutsche Fernsehunterhaltung nicht schlecht reden. Doch auf Aufführungen des Ohnesorgtheaters (oder des Komödienstadls) stehen wir ebenso wenig wie auf Telenovelas oder Rosamunde Pilchers. Landschaft- und Tierfilme sind ebenfalls nur einmal interessant, na ja, wenigstens ab und zu mal. Doch ab der fünften Wiederholung innerhalb weniger Monate verkehren sie sich ins Gegenteil und Eisbärenbaby Knut, das ich einst niedlich fand, geht mir inzwischen beinah ebenso auf die Nerven wie Herr Westerwelle.

Heinz Becker und seine Hilde sind nur zweimal komisch und dazu vielleicht noch an Weihnachten. Die Hesselbachs haben sicher Fernsehgeschichte geschrieben, dennoch verstehe ich nicht, weshalb alle Jahre wieder sämtliche Folgen gezeigt werden müssen. Beim Tatort und Polizeiruf kommt auch nur beim ersten Mal richtig Spannung auf. Wenn ich bereits weiß, wer wen warum gemeuchelt hat, weshalb soll ich mir das noch mal ansehen? Und noch mal und noch mal und noch mal und noch mal und noch mal – fällt Ihnen was auf?

Früher habe ich mich manchmal beim Friseur oder in einem Wartezimmer über die Geschichten von Königskindern, Schauspielern und Krokodilen in Badeseen köstlich amüsiert. Heute muss ich mit meinen GEZ Gebühren stundenlange Berichterstattung über solchen Schwachsinn finanzieren. Und damit nicht genug, Unfälle und Vergewaltigungen, die mir einst nur im Vorübergehen als absurde Bildzeitungsschlagzeilen aufgefallen sind, haben es mittlerweile bis in die Tagesschau und das Heutejournal geschafft.

Wie gesagt, uns wundert es nicht, dass unser Fernseher keine Lust mehr hatte.

Mit unfreundlichen Grüßen

Nele und Haige

Auf der Karnele werden Cookies gesetzt, z.B. von Anbietern verschiedener Wordpress Plugins und IONOS, dem Webhoster. Wenn Du hier weiterliest, akzeptierst Du deren Verwendung.