Gestern Abend erreichte mich die Mail von einer jungen Frau aus dem Ruhrgebiet. Sie war ziemlich erbost über die Sache mit den verschwundenen Belletristik Kategorien für Lesben und Schwule bei amazon und wollte von mir wissen: »Wie geht das jetzt weiter? Was wirst du unternehmen?«
Ich? Wieso denn ich? Bin ich denn die einzige Lesbe, die bei amazon einkauft? Ganz sicher nicht, ich bin auch nicht die einzige Lesbe, deren Bücher bei amazon verkauft werden und davon betroffen sind. Es gäbe sicher unzählige Leserinnen, die Krach schlagen könnten, und darüber hinaus eine Menge Autorinnen sowie etliche Verlage.
Ich spreche hier bewusst nur von Lesben, weil Schwule dieses Thema weit weniger betrifft und wohl deshalb kaum interessiert. Als ich vor einigen Wochen das erste Mal darüber getwittert habe, reagierte umgehend ein Verlag, der sich auf Belletristik für Schwule spezialisiert hat. Das würde doch gar nicht stimmen, schrieb man mir und schickte als Beweis einige Screenshots mit. Sämtliche Titel waren bei »Erotik>Tipps für Schwule« einsortiert.
Ein Missverständnis? Nein, nur der große Unterschied zwischen lesbischer und schwuler Belletristik. Ich selbst habe bisher viel zu wenige explizit »schwule« Bücher gelesen, um auf diesem Gebiet eine Expertin zu sein. Aber alle diese Bücher gehörten meiner Meinung nach tatsächlich in die Rubrik Erotik. Romantische Liebesgeschichten, in den Sexszenen höchstens mal angedeutet werden oder vielleicht gar nicht vorkommen, scheint es nicht? kaum? zu geben.
»Bei uns muss es zur Sache gehen«, bestätigte mir jetzt auch ein schwuler Freund. »Andernfalls könnte ich ja gleich Heteroschmonzetten kaufen.« Kein Wunder also, wenn es den meisten Schwulen ziemlich egal ist, dass amazon diese Belletristik Kategorien abgeschafft hat.
Bei Kommentaren der Mädchenmannschaft, die das Thema aufgegriffen hat, meinte jemand, solche Kategorien gehörten überhaupt abgeschafft. Es sei doch Schritt hin zur Akzeptanz, wenn lesbische und schwule Belletristik nicht mehr gesondert aufgeführt werde. Erst mal kein schlechter Gedanke, auch wenn ich denke, dass die meisten Leser_innen dankbar für eine Art Vorauswahl bei den Genres sind. Das erspart ihnen zeitraubende Sucherei unter den knapp zwei Millionen Titeln bei amazon.
Darüber hinaus ist die Situation ja momentan so, dass die Bücher für Heteros alle in verschiedene Belletristik Kategorien eingeordnet sind, während die Bücher für Lesben und Schwule nun keine Heimat mehr haben beziehungsweise nur noch die Möglichkeit besteht, sie bei der Erotik einordnen zu lassen. »Nennen Sie uns die Titel«, sagte man mir. »In drei, vier Tagen stehen sie dann bei der Erotik für Lesben.«
Auch die an sich gute Konsequenz nun endlich amazon links liegen zu lassen und wieder in kleinen Szenebuchläden einzukaufen, ist nur für einen Bruchteil von Lesben und Schwulen wirklich umsetzbar. Außerhalb von Großstädten wird es schon schwierig und für mich und die Liebste hier auf dem Land beinah schon ein Ding der Unmöglichkeit. Bliebe als weitere Möglichkeit noch künftig im Lesbenkaufhaus oder bei Oscar Wilde usw. zu bestellen, was wir ja bereits gelegentlich auch machen. Doch so lange z. B. fast alle Webseiten für Lesben, die Bücher vorstellen, mit dem Partnerprogramm von amazon verbunden sind, macht so eine Änderung in unserem Kaufverhalten als Protestaktion eigentlich keinen Sinn.
Um auf die Frage der jungen Frau zurückzukommen, ich werde erst mal gar nichts weiter tun. Ich habe mich bereits schon so oft mit amazon herumgeärgert, dass ich es einfach satt habe. Ich werde darüber schreiben, wenn ich es für angebracht halte, aber wenn es außer mir keine andere Lesben zu stören scheint, dann haben wir es wahrscheinlich verdient, oft nur in Verbindung mit Sex wahrgenommen werden.