Sehr geehrte Damen und Herren der Telekom AG,
so wütend, wie ich derzeit auf Sie bin, ist diese Anrede eigentlich vollkommen unpassend. Tatsächlich müsste ich ja schreiben: »Hallo Ihr Arschlöcher, Ihr Dappen, Ihr Hirnis …«. Doch da es selbst Sie bisher noch geschafft haben, mich meine Kinderstube ganz und gar vergessen zu lassen, bleibe ich bei »Sehr geehrte Damen und Herren« und denke mir den Rest.
Begriffe wie »schnell«, »unbürokratisch oder »einfach« scheinen in ihrem Unternehmen nicht zu existieren. Ob man einen simplen Telefonanschluss bestellen will, ob eine Störung gemeldet werden soll, ob es Unstimmigkeiten wegen einer Rechnung gibt, jedes noch so kleine Problemchen wird von Ihnen zu einem Drama in mehreren Akten aufgebauscht. Ihrer ungezügelten Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt, Theaterregisseur_innen könnten vor Neid erblassen, falls sie nicht bereits während der Aufführung, so ungefähr zwischen dem 15. und 16. Akt, von einem Schlaganfall oder Herzinfarkt dahingerafft wurden. Nicht jeder Mensch erfreut sich einer solch robusten Gesundheit, wie sie der Umgang mit Ihnen voraussetzt.
Als ein Telefongespräch noch zwei Groschen kostete, führten sich dank der damaligen Monopolstellung Ihre verbeamteten Mitarbeiter_innen auf, als seien Telefonleitungen Ihr persönliches Eigentum, mit dem sie nach Lust und Laune verfahren konnten. Beschwerte man sich, wurde einem schon mal um die Ohren gehauen: »Seien Sie froh, dass Sie überhaupt so schnell ein Telefon bekommen. In der Ostzone müssten Sie dreißig Jahre darauf warten.«
Diese Zeiten sind glücklicherweise vorbei, in den letzten Jahren hat sich einiges geändert. Sie haben Konkurrenz bekommen, deren Service ebenso miserabel wie der Ihrige ist, Ihre Angebotspalette wurde erweitert und Sie verkaufen Aktien. Mit der Kundschaft gehen Sie allerdings um wie und je, einzig der Ton ist mittlerweile liebenswürdiger. Während man früher barsch angeschnauzt wurde: »Was woll’n Sie?«, wird heute geflötet: »Guten Tag, mein Name ist Müller, was kann ich für Sie tun?«
Doch um diesen freundlichen Satz zu hören, braucht es zunächst Stunden der Geduld und exzellenter Nerven. »Um mit dem passender Servicemitarbeiter verbunden zu werden, nennen Sie bitte Ihr Anliegen«, scheppert eine Automatenstimme.
»Internet kaputt.«
»Für viele Probleme finden Sie Lösungen auf unserer Internetseite. Haben Sie es dort schon einmal versucht?«
»Internet kaputt.«
»Um die Wartezeit zu überbrücken, nehmen Sie bitte Ihren Router zwei Minuten vom Stromnetz. Sollte das nicht helfen, rufen Sie bitte noch einmal an.«
»Internet immer noch kaputt!«
»Bitte nennen Sie Ihre Rufnummer mit Vorwahl.«
»01234-56789«
»43623-67953. Ist das richtig?«
»Ja.« Es ist schnurzpiepegal, welche Ziffern ich angebe, denn sobald ich mit einem Menschen aus Fleisch und Blut verbunden bin, werde ich zwecks Datenabgleich erneut nach meiner Telefonnummer gefragt.
»Sie werden mit dem nächsten freien Mitarbeiter verbunden. Bitte haben Sie etwas Geduld.«
Wer ist eigentlich für die ätzende Musikauswahl bei Ihnen verantwortlich? Ehemalige Folterknechte eines Geheimdienstes, die nach Auflösung ihres Staates arbeitslos wurden?
Musik. »Sie werden mit dem nächsten freien Mitarbeiter verbunden. Bitte haben Sie etwas Geduld.« Musik. »Sie werden mit dem nächsten freien Mitarbeiter verbunden. Bitte haben Sie etwas Geduld.«
Zwanzig Minuten später: »Leider sind zurzeit alle Plätze belegt. Bitte versuchen Sie es später noch einmal!« Auf dem Display des Telefons erscheint die Meldung: »Teilnehmer hat aufgelegt.«
Fünf Jahre lang habe ich mich zähneknirschend mit einer DSL Light Leitung abgeplagt, dann war es endlich so weit. Um 10.30 Uhr rief mich ein Computer an und teilte mir mit: »Ab sofort steht Ihnen das schnelle DSL zu Verfügung.«
Klasse!! Super!! Toll!! Bloß warum habe ich jetzt überhaupt keine DSL Leitung mehr????
»Guten Tag, mein Name ist Müller, was kann ich für Sie tun? … Das dauert ein bisschen, bis das Update durchgelaufen ist. Bis 13 Uhr müsste alles in Ordnung sein.«
»Guten Tag, mein Name ist Müller, was kann ich für Sie tun? … Das dauert ein bisschen, bis das Update durchgelaufen ist. Bis 19 Uhr müsste alles in Ordnung sein.«
»Guten Abend, mein Name ist Müller, was kann ich für Sie tun? … Das dauert ein bisschen, bis das Update durchgelaufen ist. Bis Mitternacht müsste alles in Ordnung sein.«
»Guten Morgen, mein Name ist Müller, was kann ich für Sie tun? …Leider kann ich die Leitung nicht prüfen, wenn daran gerade gearbeitet wird, bekommt der Mitarbeiter ja einen Stromschlag.«
»Guten Tag, mein Name ist Müller, was kann ich für Sie tun? … Das dauert ein bisschen, bis die Verbindungen alle geschraubt sind. Bis Mittag müsste alles in Ordnung sein.«
»Guten Tag, mein Name ist Müller, was kann ich für Sie tun? … Es sieht so aus, als hätte Ihr Router ein Problem. Ich schicke sofort einen Neuen raus.«
»Guten Tag, mein Name ist Müller, was kann ich für Sie tun? … Der neue Router ist noch nicht bei Ihnen? Tut mir leid, aber am Wochenende kann ich leider nicht das Versandprogramm aufrufen.«
»Guten Tag, mein Name ist Müller, was kann ich für Sie tun? …Oh, da ist ein Fehler passiert. Der neue Router wird sofort versandt. Dienstag ist er bei ihnen.«
»Guten Tag, mein Name ist Müller, was kann ich für Sie tun? … Stimmt, heute haben wir Mittwoch. Ich weiß auch nicht, was DHL so treibt … Ach je, da ist ein Fehler passiert. Der neue Router wird sofort versandt.«
»Guten Tag, mein Name ist Müller, was kann ich für Sie tun? … Seit fünf Stunden warten Sie auf einen Rückruf? Das tut mir leid. Ich verbinde Sie sofort mit dem Kollegen.« Stille. »Teilnehmer hat aufgelegt.«
Wahrscheinlich braucht der Trupp, der die DSL Verbindungen gerade zusammenschraubt, etwas Unterstützung. Also nix wie raus aus dem Callcenter und ab in den Odenwald, um zwischen Christbaumplantagen und Wildschweinen nach lockeren DSL Gewinden suchen. Wenigstens die Hälfte von ihnen, die anderen halten derweil Ausschau nach einem gelben Postauto, das seit einer Woche dem Router unsere schöne Landschaft zeigt.
Für wie blöd halten Sie mich eigentlich?