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Stoibisch in Hinnedausch, Teil 2

Gut betuchte Leute, habe ich mir sagen lassen, erledigen ihre Umzüge mit ein paar Telefonanrufen. Tapezierer, Maler, Elektrikerinnen und eine Umzugsfirma machen all die Arbeit. Die Liebste und ich gehören nicht zu diesem erlauchtem Kreis. Also mussten wir selbst Hand anlegen. Aber auch unser Umzug begann mit Telefonieren: »Wir ziehen am Soundsovieltem um und brauchen Hilfe!«

Vor ein paar Jahren noch hätte so ein Hilferuf Heerscharen herbeigelockt. Doch nun?

Entsetzt stellten wir fest, dass sich unser Freundeskreis mittlerweile aus Invaliden und Schwerstarbeiterinnen zusammensetzt. A hatte gerade eine Venenoperation hinter sich und durfte nicht laufen. B war an der Bandscheibe operiert worden und sollte nichts heben oder tragen, das mehr als drei Gramm wog. C war an dem Wochenende zum Pflegedienst eingeteilt.

D wusste wegen des Ärztestreiks und der dadurch so vielen verschobenen Behandlungen bis am Abend vor dem Umzug nicht, ob sie mithelfen konnte. E musste am Mittag erst ein Pärchen verheiraten, wollte aber danach kommen. F zog an diesem Wochenende selbst um.

Den Vogel schoss G ab. Er meinte, es sei viel zu heiß zum Umziehen. Wir sollten doch diesen Blödsinn lassen und uns mit ihm zusammen an einen Baggersee legen. I und J konnten wir nur auf dem Anrufbeantworter eine Nachricht hinterlassen und erfuhren erst nach dem Umzug, dass sie es vorgezogen hatten, in Urlaub zu fahren, anstatt Möbel zu schleppen. Dass K sich während des Umzugs sang- und klanglos vom Acker machte, war nur noch das berühmte Tüpfelchen auf dem i.

Wochenlang hatte ich Kartons gepackt, schön beschriftet und in Omas ehemaligem Zimmer gestapelt. In meinem Kopf war alles bestens geplant und ich klärte die umzugsunerfahrene Liebste auf: »Ein Karton kann auf einen Tisch gestellt werden. Aber kein Tisch auf einen Karton. Deshalb müssen die Möbel und großen Elektrogeräte bei der ersten Fuhre dabei sein.« Weshalb dann unsere HelferInnen zuerst die Kartons in den Lkw trugen und das Bücherlager räumten, wird ein ewiges Geheimnis bleiben.

Drei Tage nach dem Umzug sollte die Telekom kommen und das machen, was allgemein ihr Job ist und für das sie unverschämte Beträge in Rechnung stellt. Einen ISDN Anschluss für 59,95 Euro Anschlussgebühr hatten wir bereits sechs Wochen vor unserem Umzug bestellt. Wesentlich schneller als gewohnt reagierte die Telekom und schickte ab so sofort alle Post an unsere neue noch nicht vorhandene Adresse. Da die Kühe im Stall nebenan die Annahme verweigerten, sammelte ein hilfsbereiter Mensch die Briefe ein und übergab sie uns bei unserem nächsten Besuch.

»Soll der Anschluss vormittags oder nachmittags geschaltet werden?«, war ich bei der Auftragserteilung gefragt worden.

»Was für ein Service«, dachte ich und gab den Vormittag an. Als sich am bewussten Tag bis 15 Uhr noch nichts getan hatte, und der Vormittag unserer Ansicht nach vorbei war, marschierte die Liebste mit Hund und Handy die Landstraße entlang, bis sie nach ungefähr einem Kilometer endlich Empfang bekam. Bei der Servicenummer war von Vor- und Nachmittagen keine Rede mehr. Stattdessen erfuhr sie, dass man bei der Telekom mittlerweile rund um die Uhr arbeite und »Anschluss 1. August« könne auch 23.59 Uhr bedeuten, Hauptsache es war der 1. August.

Gegen 17 Uhr war es dann so weit, wir konnten telefonieren! Hipphipphurra! Die Freude währte einen knappen Tag, dann stellte sich heraus, dass wir zwar anrufen konnten, uns aber im Gegenzug niemand telefonisch erreichen konnte. Wer das versuchte, erhielt die Meldung »Teilnehmer nicht erreichbar!«

Zwei Tage und 15 Telefonate mit verschiedenen Telekomstellen später war ich bereit, den »nächsten freien Mitarbeiter« mit bloßen Händen zu erwürgen.
»Wir prüfen die Leitung und rufen Sie gleich zurück!« war eine der hilfsbereiten Aussagen.
»Bitteschön, wie wollen Sie denn zurückrufen? Das funktioniert doch nicht!«
»Ach so, können wir Sie über Handy erreichen?«
»Nein, hier ist ein Funkloch!«
»Ja, was machen wir denn da?«
Ja, was denn nur?

»Vielleicht ist Ihre Telefonanlage nicht in Ordnung!« sinnierte eine Dame. »Vielleicht muss sie erst auf die neue Nummer programmiert werden.« Also machte ich beim Telefon ein Reset und setzte alles zurück auf Werkseinstellungen. Sämtliche gespeicherte Telefonnummern gingen verloren. Geholfen hat es nicht.

»Die Leitung ist in Ordnung«, wurde mir ein-, zwei-, fünf Mal versichert »Das Problem muss bei Ihnen liegen!«
»Wieso kann ich dann raus telefonieren?«
»Keine Ahnung. Können Sie nicht erst mal die Stecker überprüfen?«
Ich kroch auf dem Boden rum und prüfte die Leitungen zum wiederholten Male. Als ich wieder zum Hörer griff, hörte ich: »Da ist schon wieder jemand zu blöd, das Telefon richtig einzustöpseln.«

Eine Mitarbeiterin machte der Liebsten einen Vorschlag: » Können Sie sich nicht bei Ihrem Nachbarn das Telefon ausleihen? Schließen Sie es dann an Ihre Leitung an und prüfen, ob das geht!«

Am zweiten Tag kam ein neues Problem dazu, die DSL Leitung. »Die Leitung steht!«, wurde mir immer wieder versichert.
»Und warum funktioniert sie nicht?«
»Das kann nicht sein! Die Leitung steht!«
Inzwischen war ich mit meiner Geduld am Ende. »Mir ist das egal, ob die Leitung liegt, steht oder hüpft! Ich will, dass sie funktioniert!« brüllte ich in den Hörer.
»Ich schicke Ihnen einen Techniker vorbei«, meinte die Dame am anderen Ende und fügte hinzu. »Sie sollten sich einen anderen Ton zulegen!«

Und eine Andere meinte: »Wenn Sie auf eine Telefonleitung angewiesen sind, sollten Sie nicht aufs Land ziehen! In der Stadt hätten Sie diese Probleme nicht!«
»Darf ich Sie zitieren?« fragte ich. »Können Sie mir bitte Ihren Namen noch mal nennen?« tutututututututututut »Teilnehmer hat aufgelegt« erschien auf dem Display.

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