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Schlagwort: Behinderung

Toll(l)erante Firlefanzwoche bei der ARD

Seit den #idpet Kommentaren kann ich die Worte Toleranz, tolerant, tolerieren nicht mehr hören. Aussagen wie „Selbstverständlich tollleriere ich Schwule … solange sie in ihren vier Wänden bleiben.“ oder „Tollerans nur, wenn unsere Kinder in Ruhe gelassen werden!“ wiederholten sich dort ständig. Sehr auffällig war dabei, wie viele der Kommentator_innen Schwierigkeiten mit der richtigen Schreibweise haben.

Erst zu diesem Zeitungspunkt wurde mir bewusst, dass sowohl ich als auch mein näheres Umfeld nur selten von Toleranz sprechen und wenn doch, ist es meist ironisch gemeint. „Wir sind ja soooo tolerant“, bedeutet in der Regel: „Wenn wir könnten, wie wir wollten … würden wir x abschaffen, y verbieten und z in die Mülltonne treten.“ Doch gesellschaftliche Normen, Gesetze oder beispielsweise auch verwandtschaftliche Beziehungen zwingen uns, xyz zähneknirschend hinzunehmen, uns damit zu arrangieren.

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Der perfekte Mensch ist nicht homosexuell und hat keine roten Haare

Es muss sehr dramatisch zugegangen sein an jenem Januartag 1938. Die Geburt wollte einfach nicht vorangehen und schließlich stellten die Ärzte meinem Großvater eine Frage. Seine Antwort hat das Leben der nachkommenden Generationen beeinflusst und spielt selbst noch bei denen, die ihn nie persönlich kennengelernt haben, eine Rolle.

Das Kind sei an der Gebärmutter festgewachsen, hieß es, und man müsse nun eine Entscheidung treffen. Sollte die Mutter oder das Kind überleben? Der Familienfama zufolge hat mein Großvater keinen Moment gezögert und sich pragmatisch wie immer erwiesen. Er hatte schon drei Kinder, aber nur eine Frau. So packten die Ärzte den Kopf des Babys mit einer Zange, zerrten es mit brutaler Gewalt hinaus in die Welt und zerquetschten dabei einen Teil des Gehirns.

Zur Überraschung aller überlebte das Mädchen diese Tortour und wurde auf den Namen Inge getauft. Ihre Entwicklung war verzögert, doch bis spätestens zum Schulanfang werde sie den Rückstand aufgeholt haben, erklärte man meinen Großeltern. Angesichts der Zeiten stellten Ärzte eine Bescheinigung aus: Die Behinderung sei eindeutig auf Komplikationen während der Geburt zurückzuführen und beruhe nicht auf einem genetischen Defekt.

Aus dem Termin Schulanfang wurde die Pubertät, und nachdem weder unzählige Ärzte noch ein Geistheiler mit Handauflegen hatten etwas ausrichten können, musste selbst meine Großmutter die Tatsache akzeptieren, dass ihre jüngste Tochter geistig und körperlich schwer behindert war.

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