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Trara, die Post ist nicht da!

Hallo Ihr Lieben,

ich bin noch auf der Suche der richtigen Anrede. Du oder Sie? Gefallen würde mir ja »liebe lesbische Gemeinde«, aber das klingt wahrscheinlich doch zu sehr nach Kanzel. Zur Auswahl stünden dann noch »liebe Community« oder »liebe Leserinnen und Leser«? Es könnte sich ja auch mal ein männliches Wesen auf unsere Seiten verirren.

Aber auch sonst habe ich heute die Qual der Wahl. Schreibe ich über meinen Scanner (Vor einem halben Jahr gekauft, und seitdem teilt er mir mit, er sei beschäftigt. Dabei hat er noch kein einziges Bild gescannt). Oder schreibe ich über … ???

Nun, ich habe mich entschlossen, über die Post zu schreiben. Über diese gelben Figuren mit dem Horn als Markenzeichen, die demnächst an die Börse gehen. Deshalb kennen wir ja auch nun alle den Bruder von Thomas Gottschalk.

Was glaubt Ihr wohl, was für eine Aufgabe die Post hat? Brief zu befördern und zuzustellen? Nun, das habe ich früher, als ich noch jung und naiv gewesen war, auch geglaubt.

Die Post ist dazu da, um gegen ein – nicht gerade geringes Entgelt – Briefe von A nach B zu befördern und sie dann X, Y, Z in den Briefkasten zu werfen. Davon war ich solange überzeugt, bis mich die Post meines Wohnortes (der Anonymität wegen nennen wir diesen Ort mal Kleinkleckersdorf) eines Besseren belehrte.

Von A nach B befördern, das geht ja gerade noch. Aber Briefe dann in Kleinkleckersdorf in die jeweiligen Briefkästen zu werfen – mit dieser Aufgabe scheinen die AusträgerInnen überfordert.

Wir haben in den letzten sechs Jahren jedenfalls unsere Briefe und Zeitungen an vielen Orten gefunden, nur nicht im Briefkasten. Auf dem Bürgersteig, im Streusalzeimer, im Treppenhaus, bei Nachbarn, bei Verwandten (die denselben Nachnamen haben). Eine Liste, die sich noch lange fortsetzen ließ.

Am 28. Oktober 1995, das ist nun vier Jahre und elf Monate her, habe ich mich das erste Mal bei der Post beschwert. Und seitdem ist dies mein unfreiwilliges Hobby geworden. In mehr oder weniger regelmäßigen Abständen telefoniere, schreibe, maile ich an die Post. Oder knöpfe mir jemanden auch schon mal persönlich vor.

Seit vier Jahren haben wir sogar ein Postfach, was die Probleme aber nicht verringerte. Die größte Schwierigkeit für die AusträgerInnen scheint die Tatsache zu sein, dass wir nicht der bürgerlichen Norm entsprechen. Wir sind zwar eine Familie, aber wir haben viele verschiedene Nachnamen. Da gibt es meinen Namen und den Namen meiner Liebsten. Da gibt es meinen Künstlerinnennamen (ganz offiziell im Personalausweis eingetragen), den Namen der Oma und unsere kleine Firma. Fünf verschiedenen Namen und dann noch mal ans Postfach und mal an die Straße adressiert!

In der Heterofamilie nebenan leben auch fünf Personen, aber die heißen alle Meier. Die haben weder einen Künstlernamen noch ein Postfach. Und wenn ein Brief an Familie Heinz-August Meier adressiert wird, sind gleich alle fünf Personen gemeint. Wie praktisch für die Post.

Vor einiger Zeit erwartete ich einen wichtigen Brief wegen einer Lesung. Er war an Nele Tabler, Hauptstr. 999, 00000 Kleinkleckersdorf adressiert – wie viele, viele andere Briefe zuvor auch. Nur dieser eine kam bei mir nicht an. Er ging zurück mit dem Vermerk »Empfänger unbekannt«. Was die Veranstalterinnen, die schon ein Programm bekannt gegeben hatten, doch ein wenig in Aufregung versetzte. Hätte ja sein können, dass ich in der knappen Woche zwischen Telefonat und Brief kurz entschlossen meine Koffer gepackt und nach Timbuktu umgezogen bin.

Also habe ich mir wieder einmal den Austräger vorgeknöpft. Er behauptete, noch nie in seinem Leben was von einer Nele Tabler gehört zu haben.

»Guuuddie Fraaa, wenn sie ebbes zu verbärge hewwe und än falsche Name benutzen, dann is des net mei Schuld!« Ich unterdrückte das Bedürfnis, ihm in den Allerwertesten zu treten, und zeigte ihm stattdessen erst meinen Personalausweis und deutete dann auf das Klingelschild. Beides versetzte ihn Staunen, lesen konnte er also.

Nächste Anlaufstation: das Internet. Der gelbe Verein, er will ja schließlich an die Börse, hat tatsächlich eine Internetpräsenz. Und darüber hinaus eine Mailadresse Kundenservice. Falls Ihr je auf die Idee kommen solltet, dorthin zu schreiben, lasst es sein. Ihr bekommt keine Antwort. Vielleicht sitzen dort ja auch lauter DAUs, die nicht wissen, wie sie ihre Mails abrufen sollen.

Also Konferenz zwischen meiner Liebsten und mir. Erneut beim Austräger beschweren? Sinnlos! In der Filiale Kleinkleckersdorf beschweren? Bei der Bezirksdirektion beschweren?

Wir entschieden uns für das Kundentelefon der Post, die Nummer hatten wir von der Internetpräsenz der Post. Auch hier gilt, spart Euch Euer Geld, Zeit und Nerven.
Schließlich schickten wir einen Einschreibebrief. Heute kam die Antwort: Nach gründlichen Recherchen usw., und dann wurde uns das gleiche Blabla aufgetischt, wie schon von dem Austräger persönlich vor einigen Wochen. Nur die »Guuudddie Fraaa« fehlte.

Der Austräger habe noch nie was Nele Tabler gehört (alles vorherigen Briefe muss ein Geist zugestellt haben), habe sogar beim Einwohnermeldeamt nach Nele Tabler gefragt (meinen Kommentar über den Wahrheitsgehalt dieser Aussage spare ich hier mir) und und und.

Gemeinsam mit unserem Bekanntenkreis überlegen wir, woran es liegt. Ist es so, dass bei den Einstellungskriterien der Post ein IQ von nachweislich unter 90 Punkten vorgeschrieben ist? Das behauptet nämlich S.

Oder liegt es an allgemeinen Desinteresse, weil die gelben Figuren noch nicht begriffen haben, dass sie kein Staatsbetrieb mehr sind, wie L. meint?

Oder liegt es daran, dass unsere Lebensweise gewissen Menschen nicht in den Kram passt? Dass für all die verschwundene Post der letzten Jahre weder Schlamperei noch mangelnde Intelligenz verantwortlich ist, sondern die pure Absicht? Es stimmt mich ein bisschen nachdenklich, dass die fünf Personen im Haushalt von Heinz-August Meier nebenan anscheinend keine Probleme mit der Post haben.

Vielleicht hilft meiner Liebsten und mir ja das Gesetz über die eingetragene Partnerschaft weiter, wenn es denn je kommen sollte. Wenn wir dann den selben Nachnamen hätten, müsste der Austräger sich nur noch vier Namen merken. Die Oma könnten wir adoptieren, das wären dann nur noch drei Namen. Ich könnte mich entschließen, entweder meinen Künstlerinnennamen oder das Schreiben aufzugeben, macht nur noch zwei Namen. Und unsere kleine Firma macht Konkurs … Dann könnte uns endlich geschrieben werden: Familie Thusnelda Müller und alle Problem wären gelöst. Nur – ob wir dann außer Rechnungen überhaupt noch Post bekommen würden?

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