An einem sonnigen Nachmittag spazierten wir auf einem ausgewiesenen Wanderweg durch den Wald und waren noch nicht weit von dem Parkplatz entfernt, wo wir das Auto abgestellt hatten, als sich uns plötzlich ein Mann in den Weg stellte. Er schien aus dem Nichts aufgetaucht zu sein, vielleicht hatte er ja versteckt hinter Bäumen gelauert, denn wir bemerkten ihn erst, als er direkt vor uns stand und eine Waffe, eine Art Gewehr, auf uns richtete.
»Wenn Sie nicht sofort hier verschwinden, knalle ich Sie ab!«, schrie er. Der Wald sei kein Spielplatz, wir würden die Tiere stören und die Pilze zertrampeln, und da die Behörden nicht für Ruhe sorgten, habe er das nun übernommen. So ungefähr jedenfalls, an den genauen Wortlaut kann ich mich nicht mehr erinnern, der Vorfall ist schon viele Jahre her. Einzig das dreijährige Kind reagierte nicht verängstigt, es hielt den Mann wohl für eine amüsante Einlage, die ausnahmsweise mal im Wald und nicht im Fernsehen stattfand. Wir Erwachsenen hingegen waren erst steif vor Schreck und kehrten dann sofort um.
Heute würde ich natürlich völlig anders reagieren, hätte sicher ein Handy dabei, um sofort 110 zu wählen, vielleicht sogar den Mann aus einiger Entfernung zu fotografieren. Damals jedoch kamen wir gar nicht auf die Idee, die Polizei zu informieren, allein schon, weil die nächste Telefonzelle kilometerweit entfernt war. So beließen wir es dabei, im Freundes- und Bekanntenkreis vor diesem Waldstück zu warnen.
Es war das erste (und hoffentlich auch einzige) Mal in meinem Leben, dass ich mit einer Waffe bedroht worden bin. Die panische Angst jener Minuten habe ich allerdings nie vergessen und noch immer träume ich ab und zu davon. Bis dahin war für mich der Satz »Waffen sind kein Spielzeug« eher eine theoretische Angelegenheit gewesen und hatte sich auf Diskussionen beschränkt, ob Wasserspritzpistolen in Kinderhänden nun harmlos sind oder nicht. Meine Aversion gegen Waffen in Privatbesitz, gegen Schützenvereine, Jäger und Sportschütz_innen entwickelte sich erst danach.
Je mehr ich mich mit dem Thema beschäftigte, desto größer wurde auch mein Unverständnis. Waffen = schießen = töten. Wie können Menschen nur so etwas als Sport bezeichnen und sich in Vereinen zusammenschließen, um diesem Hobby zu frönen? Richtig wütend wurde ich, als vor ungefähr zwei Jahren dann auch noch die Diskussion um homosexuelle Schützenkönig_innen begann. Was Heteros können, wollen wir auch. Inclusive Waffen in unseren Wohnungen horten und Amok laufen?
Gegen die Schützenvereine lässt sich bei uns leider nur wenig ausrichten, ihre Lobby ist einfach zu groß. Sie seien deutsches Kulturgut, wie mir dieser Tage ein aufgebrachter Mensch schrieb. Gegen sie anzukämpfen wäre – wenigstens derzeit –reine Energieverschwendung. Aber vielleicht könnte ja endlich unser Recht so geändert werden, dass in Privathaushalten keine Waffen mehr aufbewahrt werden dürfen. Nach all den Toten der letzten Jahre, in Erfurt, Winnenden oder jetzt in Eberbach, wenigstens ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.