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Ada Lovelace Day: Sophie Germain

Heute ist wieder Ada Lovelace Day. Leider hatte ich keine Zeit, etwas Neues zu schreiben, doch weil der Tag so wichtig ist, habe ich den Beitrag vom letzten Jahr ausgegraben.

»Woher kennst du denn Ada Lovelace?« wollte die Liebste erstaunt wissen, nachdem sie die Kolumne »Oma erklärt Opa den Computer« gelesen hatte. Wie so viele andere auch hatte sie diesen Namen vorher noch nie gehört.

So war es Zeit, ein finsteres Geheimnis zu lüften: Vor vielen Jahren hatte man mir einmal den Spitznamen »die Staubsaugerfrau« verpasst – nach einer Diskussion mit »grünen« Männern, die heftig gegen die Einführung eines Computerunterrichts an Schulen wetterten. Dass ich, die einzig anwesende Frau, anderer Ansicht war, machte sie zornig. Sie waren ja bereit, die Hälfte der Ämter und Pöstchen mit dem anderen Geschlecht zu teilen und bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Fahnen der Gleichberechtigung hochzuhalten. Aber Diskussionen über Computer sollten doch bitte Männersache bleiben, wenigstens diesen einen Bereich wollten sie ganz für sich behalten.

Hinzu kam, dass ich auf ihre komplizierten Gedankengänge und Horrorszenarien, was Computer in jedem Haushalt und Kinderzimmer bedeuten könnten, nicht einging. Ich war für die Einführung eines EDV Unterrichts an Schulen, weil ich damals (1985) bereits mit Computern gearbeitet und erkannt hatte, über kurz oder lang würde es nicht mehr ohne gehen. Mir war es wichtig, dass Schüler_innen der Umgang damit so früh wie möglich beigebracht wurde, um ihnen die Angst vor dieser Technik zu nehmen. Und so argumentierte ich: »Ein Computer ist nichts anderes als ein Staubsauger. Er erleichtert die Arbeit und hat auf Knopfdruck zu funktionieren!«

Einer der Herren gab ein lautes Stöhnen von sich. »Das war ja zu erwarten gewesen. Nachdem neulich in einer Zeitung behauptet wurde, den Computer hätte eine Frau erfunden, konnte es ja nicht mehr lange dauern, bis ihr Frauen euch das Thema unter den Nagel reißt.«

Es fiel mir schwer, meine Neugier zu unterdrücken und nicht zurückzufragen: »Tatsächlich? Eine Frau hat den Computer erfunden?«

Ich wartete, bis ich wieder zuhause war und brauchte fast eine Woche, bis ich nach dem Tipp einer Amerikanerin endlich in einer Bücherei auf Ada Lovelace gestoßen war – so mühselig konnten Recherchen in der Vorinternetzeit sein. Zehn Jahre später hatte ich mit einem dieser Herren zufällig wieder zu tun. Bei meinem Anblick rief er entsetzt: »Die Staubsaugerfrau!«

Allerdings war das nicht der Grund, mich an dem Ada-Lovelace-Tag zu beteiligen und über die Biografie einer Wissenschaftlerin zu schreiben. Diese Bereitschaft hat mit meiner Faszination für Frauen zu tun, die sich mit Mathematik, Physik, Chemie auskennen, damit umgehen können. Ein Bereich, der sich mir nie erschlossen hat, und ich bewundere Menschen, die tatsächlich zu wissen scheinen, was sie da tun, die hinter Zahlengebilden und Formeln etwas anderes als Chaos und Wirrwarr erkennen können.

»Was haben wir denn die letzte Stunde gemacht«, fragte der nette alte Professor W. einst im Physikunterricht und zeigte auf ein Mädchen.

»Sie haben eine Schüssel mit Wasser gefüllt, ein Pfennigstück hineingeworfen und dann wurde das Wasser blau!« – »Sehr gut! Und ein Junge erzählt uns jetzt, warum das Wasser blau wurde.«

Bei einer Geometriearbeit kam er an meinem Tisch vorbei, zeigte auf eine Stelle in meiner Zeichnung und sagte: »Hier musst du mit dem Zirkel einstechen. Ich finde es unglaublich, was von euch jungen Mädchen heutzutage verlangt wird.«

Ich fand es ebenfalls unglaublich und habe für lange Zeit die Fächer Mathe, Physik, Chemie als überflüssig und nervig angesehen – wenigstens für Frauen.

Auf die Mathematikerin Sophie Germain bin ich durch eines meiner Hobbys gestoßen: beim Lesen schwedischer Krimis. Gleich in zwei Romanen wird ein »Satz des Fermat« erwähnt. Lisbeth Salander stellt darüber ebenso Überlegungen an wie der Schüler Victor Vinblad bei Hakan Nesser.

Als ich herausfinden wollte, um was es sich dabei handelt, las ich zum ersten Mal etwas über Sophie Germain. Im Jahre 1808 hat sie versucht, einen Beweis für diesen Satz (wenn x, y, z und n Zahlen sind dann x n + y n = z n  kann nicht für jedes n größer als 2 gelöst werden) zu finden und soll dabei der Lösung sehr nahe gekommen sein. Endgültig gelöst wurde dieses Rätsel anscheinend erst fast zweihundert Jahre später von dem englischen Mathematiker Andrew Wiles.

Angesichts meiner mathematischen Unfähigkeit beschränke ich mich hier auf ihre Biografie. Interessierte mögen sich bitte über die Links am Ende des Textes weiter informieren.

Sophie Germain wurde 1776 in Paris geboren. Zwar stammte sie aus einem gebildeten Elternhaus, aber ihr Interesse für Zahlen wurde von ihren Eltern als unnatürlich für eine Frau angesehen und man unternahm viel, um ihr diese »Unart« auszutreiben. Sie ist dennoch immer wieder in die Bibliothek ihres Vaters geschlichen und hat sich sogar Latein und Griechisch selbst beigebracht, um entsprechende Lehrbücher lesen zu können. Während auf den Pariser Straßen die Französische Revolution tobte, lernte sie ohne jede Anleitung und Unterstützung die Differenzialrechnung.

Zu dieser Zeit durften Frauen noch keine naturwissenschaftlichen Fächer studieren, doch ein Zufall kam ihr Zuhilfe. An der »Ecole Polytechnique« übernahm sie den Studienplatz eines jungen Mannes und entwickelte sich unter dessen Namen zu einem der besten Studenten ihrer Zeit. Als ein Mathematikprofessor ihre wahre Identität herausfand, war er erstaunt und wurde dennoch zu ihrem Mentor, weil er ihr unglaubliches Potenzial erkannte.

Auch später veröffentlichte Sophie Germain immer wieder unter männlichen Namen. Als M. LeBlanc tauschte sie sich mit dem deutschen Mathematiker Carl Friedrich Gauß aus. Mehrmals musste sie erleben, wie männliche Wissenschaftler ihre Theorien und Erkenntnisse übernahmen und dafür geehrt wurden.

Erst 1815 wurde sie selbst von der Pariser Akademie der Wissenschaften ausgezeichnet. Und es dauerte noch einmal sieben Jahre, bis sie an Sitzungen in diesem ehrwürdigen Haus teilnehmen durfte und so zum ersten Mal in Frankreich einer Frau naturwissenschaftliche Fähigkeiten zuerkannt wurden. 1831 starb sie an Brustkrebs. Zuvor hatte C. Gauss sich noch vergeblich darum bemüht, ihr von der Universität Göttingen die Ehrendoktorwürde verleihen zu lassen.

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