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Das Fitnessprogramm, Teil 1

Neulich kam im Fernsehen eine Sendung über Couchpotatoes. Die Liebste und ich haben uns köstlich amüsiert. Da gibt es doch tatsächlich Menschen, die ihre ganze Freizeit auf der Couch vor dem Fernseher verbringen, Kartoffelchips mampfen und keine Ahnung mehr von dem Leben draußen haben.


«Hast Du gesehen, dass diese Dame da schon viereckige Augen hat?« fragte die Liebste etwas undeutlich, weil sie gerade ein Stück Pizza kaute. Sie rekelte sich auf dem Sessel und öffnete obersten Knopf ihrer Jeans. Dann schob sie sich das nächste Stück Pizza in den Mund.

Ich hatte die viereckigen Augen nicht gesehen. Dazu hätte ich meinen Kopf Richtung Fernseher drehen müssen. Und das ging schlecht. Ich lag lang gestreckt mit dem Rücken auf der Couch, auf meinem Bauch stand der Pizzateller und auf meinen Beinen hatte es sich unsere Hündin bequem gemacht. Ihre Schnauze war gerade mal einen knappen Zentimeter vom Teller entfernt und sie beobachtete mich mit Argusaugen.

»Guck mal, da ist sie wieder!« lachte die Liebste. »Die sieht doch aus wie eine blaue Leberwurst.«
Ich drehte meinen Kopf Richtung Fernseher. Stimmte, die Dame mit den viereckigen Augen sah in ihrem blauen Jogginganzug wirklich aus wie eine blaue Leberwurst. Vielleicht hatte ich meinen Kopf ein bisschen zu heftig gedreht. Der Pizzateller rutschte langsam von meinem Bauch. Bei meinem ungeschickten Versuch ihn festzuhalten, drehte ich mich ein etwas zu schnell rum. Die Hündin sprang in die Höhe und stand auf mir, während wir gemeinsam langsam dem Pizzateller hinterher von der Couch auf den Boden rutschten.

Eingeklemmt zwischen Couch, Tisch und Sessel, das rechte Knie in der Pizza, die Nase in mehreren Salatblättern und unsere Hündin auf meinem Hintern trampelnd, verlangte ich Hilfe von meiner Liebsten. Die jedoch lag brüllend vor Lachen in ihrem Sessel, unfähig sich zu bewegen. Als sie sich endlich etwas beruhigt hatte und sich bückte, um mir hilfreich ihre Hand zu reichen, machte es Krach und ihre Jeans klaffte am dem Hinterteil einige Zentimeter auseinander.

Zwei Minuten später saßen wir frustriert nebeneinander auf der Couch, während die Hündin im Sessel die Pizzareste verspeiste. »Kann das sein, dass wir eine gewisse Ähnlichkeit mit dieser blauen Leberwurst haben?« machte die Liebste vorsichtig den Anfang.

Nun, ganz ehrlich gesagt, wir hatten nicht nur eine gewisse Ähnlichkeit. Wir waren in den letzten Monaten zu blauen Leberwürsten mutiert. Und das musste sofort geändert werden, auf der Stelle. Da waren wir uns beide einig. Als erste Maßnahme schalteten wir den Fernseher aus. Fünf Minuten später war er allerdings wieder an. Den Tatort mit Lena Odenthal alias Ulrike Folkerts mussten wir einfach sehen, auch wenn es bereits die mindestens dritte Wiederholung war.

Am nächsten Tag fuhr die Liebste in die Stadt und kam mit einem Buch wieder. »Fit und fittiger« oder so ähnlich hieß es. Auf dem Umschlag grinste ein dynamisch aussehender grauhaariger Herr im Jogginganzug allen Leberwurstschlaffis wie uns entgegen. Angeblich stand dieses Buch schon seit Wochen auf der Bestellerliste, woraus wir haarscharf schlossen, dass außer uns noch mehr Menschen fit und fittiger werden wollten. Warum sie trotzdem noch nicht zu Tausenden auf den Straßen rumrannten, wurde uns beim Lesen der ersten Seiten klar. Fit und fittiger zu werden ist eine schwere Angelegenheit, die nicht einfach in wenigen Tagen erledigt werden kann.

Zunächst einmal fehlten uns die geeigneten Schuhe für das richtige Fitnesstraining. So fuhren wir zwei Tage später wieder in die Stadt und gingen zum ersten Mal in unserem Leben in ein richtiges Sportgeschäft. Etwas fehl am Platz kam ich mir dort mit meinen Maßen (ca. 1,50 x 1,50 m im Quadrat) schon vor. Die Liebste entsprach mit ihrer – inzwischen wieder geflickten – Jeans Größe 27 schon eher den normalen Kundinnen dieses Ladens. Deshalb wunderte es mich gar nicht, dass die Verkäuferin zunächst auch nur die Liebste nach ihren Wünschen fragte. Wahrscheinlich habe ich es sowieso nur unserem gemeinsamen Auftreten zu verdanken, dass ich in diesem Laden überhaupt bedient wurde und mir ein Paar Joggingschuhe für knapp 200 DM kaufen durfte.

Derart ausgerüstet wollten wir natürlich sofort mit unserem Joggingtraining beginnen. Doch wo? Einig waren wir uns, dass wir nicht durch den Ort laufen und uns zum Gespött der Dorfjugend machen wollten. Einig waren wir uns auch darüber, dass die Strecke einigermaßen eben sein musste.

Leider wohnen wir aber am Rande eines Mittelgebirges und ebene Waldwege sind bei uns äußerst selten. Deshalb studierten wir erst mal eine Wanderkarte und fuhren die nächsten drei Abende sämtliche Waldwege in einem Umkreis von 15 Kilometern ab. Schließlich stießen wir auf einen ehemaligen Trimm-dich-Pfad, ein Überbleibsel aus den siebziger Jahren. Damals hieß Jogging noch Dauerlauf und ein Paar normale Turnschuhe genügten.

Nun gut, wir hatten jetzt die richtigen Schuhe und Stirnbänder. Denn auf diversen Fotografien im Bestseller war zu sehen, dass zum Laufen unabdingbar auch ein Stirnband gehörte. Wir hatten einen Weg gefunden und eine Stoppuhr bei einer Freundin ausgeliehen. So fuhren wir zu unserem Trimm-dich-Pfad und begannen zu laufen. Ganz nach Vorschrift. Eine Minute Laufen, zwei Minuten Gehen. Unsere Hündin, die das Buch ja nicht gelesen hatte, war damit gar nicht einverstanden. Sie blieb stehen, wenn wir laufen wollten, und zerrte wild an der Leine, wenn wir gingen. Der Liebsten fiel die Stoppuhr auf den Boden und brachte uns so ganz aus dem Rhythmus. Nach 10 Minuten gaben wir auf und schlenderten gemütlich zum Auto zurück.

Am folgenden Abend versuchten wir es ohne Hund und liefen und gingen eine halbe Stunde genau nach Vorschrift. Danach hatte ich an beiden Fersen und allen Zehen Riesenblasen, vielleicht hätte ich die teuren Turnschuhe doch vorher einlaufen sollen. Die Liebste stolperte auf dem letzten Meter über einen Ast und verstauchte sich den Fuß.

Die nächsten Abende lagen wir wieder vor dem Fernseher, pflegten unsere Wunden und beschlossen, uns einer anderen Sportart zuzuwenden.

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