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Feministische Linguistik und Geschirr spülende Ehemänner

Vor einigen Monaten fühlte ich mich in alte Zeiten versetzt, genauer gesagt, ich hatte den Eindruck, mit einer Zeitmaschine zurück in Siebziger Jahre und meine Schulzeit katapultiert worden zu sein. Ich saß wieder in meiner Klasse und versuchte vergeblich, meinen Mitschülern und einem süffisant grinsenden Lehrer zu erklären: »Ich bin eine Schülerin und kein Schüler.«


Für die Jüngeren, die jetzt vielleicht angesichts einer so selbstverständlichen Feststellung die Köpfe schütteln mögen, der kleine Hinweis am Rande: Damals wurde Politik noch Politikern gemacht und die begrüßten stets ihre Wähler und Mitbürger. In den Universitäten gab es nur Studenten, in Krankenhäusern wurden Patienten von Ärzten behandelt

»Wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis«, lautet ein altes Sprichwort und mir Eselin ging es an diesem Tag anscheinend tatsächlich zu wohl und so geriet ich in einem Autorenforum in eine Diskussion über feministische Linguistik. Es begann mit der durchaus ernst gemeinten Frage eines Mannes, wie er eine bestimmte Sache »feministisch korrekt« ausdrücken könne. Keine Ahnung, was mich da geritten hatte, und weshalb ich wider besseres Wissen und all meiner nervtötenden Erfahrungen mich veranlasst sah, darauf zu antworten.

Bereits nach wenigen Beiträgen waren wir an dem Punkt, wo Themen dieser Art häufig landen. Allein der Vorschlag, das Autorenforum vielleicht in »Forum für AutorInnen« oder »Forum für schreibende Menschen« umzubenennen, löst bei männlichen Teilnehmern kollektive Kastrationsängste aus und ihre Reaktionen schwanken zwischen Häme, Zynismus und Witzen auf unterstem Stammtischniveau.

Zwei oder drei tarnen sich als Sprachpuristen und ein besonders Schlauer der Marke »Besserwisserischer Oberlehrer gepaart mit Altenherrencharme« nennt als besonders grausames Beispiel: »Das Mädchen ging über die Wiese, SIE pflückte Blumen.« (2)

»Es ist unglaublich, dass Autoren(1) nicht die deutsche Grammatik beherrschen«, ereifert er sich dann. »Schließlich heißt es korrekt: Das Mädchen ging über die Wiese, ES pflückte Blumen.«

Natürlich beteiligen sich auch Frauen an dieser Diskussion. Einige meinen, es mache ihnen nichts aus, gelegentlich (und damit meinen sie wohl »fast immer«) in der männlichen Form angesprochen zu werden. Das sei zwar vielleicht nicht so toll, aber sie hätten sich daran gewöhnt und es gäbe Wichtigeres auf dieser Welt, als ständig Korrekturen zu verlangen. Eine gibt offen zu, noch nie darüber nachgedacht zu haben, und zieht daraus den Schluss: »Da es für mich noch nie ein Thema war, kann es auch keine Bedeutung für meine Schreiberei haben.«

Und dann kommt SIE. Wir feministisch angehauchten Frauen sind ihr oder einer ihrer Schwestern alle schon einmal begegnet. Einst saß sie bei mir in der Klasse und erklärte mit Brustton der Überzeugung: »Mich kann man ruhig als Schüler bezeichnen.«

In Zeiten, als meine Weltanschauung noch mit lila Latzhosen und Bürstenhaarschnitt signalisiert wurde, stöckelte SIE mit Kostüm und Dauerwelle ins Frauenzentrum und wollte verständnislos wissen: »Also könnt ihr mir mal erklären, weshalb hier keine Männer dabei sein dürfen?« (3)

Eigentlich dachte ich, SIE und ihre Artgenossinnen seien bereits ausgestorben oder stünden zumindest auf der Liste der bedrohten Arten an oberster Stelle. Mitnichten! Schlagartig wurde mir bewusst, dass es mir einfach in den letzten Jahren nur immer erfolgreicher gelungen war, einen großen Bogen um solche Damen zu machen.

»Ich muss nicht als Autorin bezeichnet werden«, gibt SIE sinngemäß kund und liefert auch die Begründung mit: »Schließlich spült mein Mann Geschirr!« Außerdem habe sie die Erfahrung gemacht, dass die Frauen, die am lautesten nach Gleichbehandlung brüllen, die Ersten seien, die ihren Mann bemitleideten, weil er Geschirr spülen müsse.

Déjà Vu, déjà vu, déjà vu.

Ich sehe SIE vor mir, wie sie einen neckischen Blick in die Runde wirft, um die gehörige Portion männlicher Bestätigung einzuheimsen. Mein Magen und mein Gehirn verkrampfen sich und zum ersten Mal seit Jahren habe ich wieder das kaum bezähmbare Bedürfnis, eine Geschlechtsgenossin erwürgen zu wollen. Wütend schreibe ich zurück, es ginge in dieser Diskussion um feministische Linguistik und nicht um Geschirr spülende Ehemänner an denen ich als Lesbe sowieso kein Interesse hätte.

Eine Sekunde danach, aber leider zu spät, blinken grelle Sternchen vor meinen Augen: Fehler, was für ein fataler Fehler. Wie konnte ich das nur schreiben?

Und tatsächlich, prompt erhalte ich von IHR die Quittung mit der altbekannten, schon unzählige Male gehörten Erklärungskette: Armes Hascherl – schreckliche Erfahrungen mit Männern – lesbisch geworden zwangläufig somit feministisch. Deshalb bin ich nun gezwungen, mit der absurden Forderung, als Autorin bezeichnet werden zu wollen, hausieren zu gehen anstatt mich an einem Geschirr spülenden Ehemann zu erfreuen.

Gibt es eigentlich den Begriff »homophober Sexismus«?  Gewisse Männer machen es nicht so kompliziert wie SIE und drücken es direkter aus: »Einmal richtig durchficken und die Sache ist geklärt!« Bei den Frauenverstehern gäbe es vorher sogar noch eine Streicheleinheit.

Kotz!

1 Hierbei sollten sich selbstverständlich auch die Autorinnen angesprochen fühlen.
2 Luise Pusch: »Das ist, anders als die Schreiber glauben, völlig korrekt, eine sog.
„constructio ad sensum“ (Konstruktion nach dem Sinn).«
3 Franziska Becker: Mein feministischer Alltag, Band 1

 

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