Auf dem Sims vor dem Fenster unserer Speisekammer füttern wir die Katzen. Na ja, angesichts unseres Geldbeutels hatten wir uns eigentlich vorgenommen, nur einen bestimmten Kater zu füttern. Doch mit der Zeit hatte es sich wohl bei den streunenden Katzen herumgesprochen, dass die Speisen unseres Restaurants nicht zu verachten sind, und so manche legt nun bei uns einen Zwischenstopp ein.
Eines Abends im letzten Winter brauchte ich etwas aus dem Kühlschrank. Ich öffnete die Speisekammertür und machte das Licht an. Direkt hinter der Fensterscheibe, dort wo die Futternäpfe stehen, war mal wieder eine fremde Katze und starrte mich an. »Das ist aber eine große Katze«, dachte ich und: »Das ist aber eine komische Katze «
Noch in derselben Sekunde schrie ich wie am Spieß, sprang mit einem Satz aus der Speisekammer und knallte die Tür hinter mir zu. Von meinem Gekreische alarmiert raste die Liebste herbei, den Hund dicht auf den Fersen. Zitternd stand ich da, zeigte mit dem Finger auf die Speisekammertür und stotterte: »Ein Fuchs da ist ein Fuchs!«
»Wo? In der Speisekammer?« Die Liebste hörte sich leicht hysterisch an. Ich schüttelte mit dem Kopf und versuchte, mich zu beruhigen. »Nein. Vor dem Fenster. Draußen, an den Futternäpfen.« Schlagartig hatte die Liebste sich wieder im Griff und öffnete die Tür zur Speisekammer. Am Fenster war nichts zu sehen. Sie machte es auf und sah kopfschüttelnd in die Dunkelheit. Dann drehte sie sich zu mir um. »Bist du dir sicher? Das war sicher nur eine Katze.«
Ich hatte mich immer noch nicht von dem Schreck erholt und wurde giftig. »Ich werde ja wohl eine Katze von einem Fuchs unterscheiden können!« fauchte ich wütend. Allerdings war ich mir selbst nicht mehr ganz sicher. Vielleicht hatte es sich ja wirklich um eine Katze mit einem merkwürdig deformierten Kopf gehandelt. Dennoch bestand ich darauf, in der Nachbarschaft Erkundigungen einzuziehen, ob sich hier Füchse herumtrieben.
Nicht ganz eine Stunde später hatten wir wieder mal was gelernt. Wie bereits Kinder aus Märchen und Fabeln erfahren, sind Füchse schon immer schlaue Tiere gewesen. Heutzutage wissen sie allerdings nicht nur, dass in den Dörfern leichter als im Wald Futter zu finden ist. Nein, sie lesen anscheinend auch die entsprechenden Gesetzbücher, in denen steht, dass sie innerhalb eines Ortes nicht erschossen werden dürfen. Außer sie zeigen ein Verhalten, das auf Tollwut schließen lässt. Solange sie aber nur gemütlich spazieren gehen, sich hier und da mal an einem Katzenfressnapf bedienen oder neugierig durch Fenster gucken, darf ihnen nichts getan werden. In einer Scheune hatte sich eine Füchsin eingenistet und dort ihre Jungen geworfen. In einem anderen Hof schlichen sie immer an die Haustür und stahlen dreckige Schuhe, die vor der Haustür ausgezogen und abgestellt worden waren.
Während ich erleichtert war, doch keine Halluzinationen gehabt zu haben, bewaffnete sich die Liebste ab sofort beim spätabendlichen Gassigehen mit dem Hund und nahm immer eine alte Duschstange mit. Und tatsächlich, einmal begegnete sie bei der Rückkehr einem Fuchs, der sich gerade an unser Haus heranschlich. Indes war die Waffe unnötig, Seppls kurzes Bellen reichte aus, um ihn zu verjagen.
Nachdem jedoch die Wochen vergingen und sich kein Fuchs mehr blicken ließ, verdrängten wir die Geschichte allmählich. Bis ich mir eines Vormittags einen Apfel aus der Speisekammer holen wollte und ein Dejavu erlebte. Wieder starrte ein Fuchs durch die Scheibe, und weil draußen hell die Sonne schien, gab es diesmal keinerlei Zweifel. In der Hoffnung auf ein Extraleckerli war mir der Hund gefolgt. Gefährlich knurrend sprang er mit einem Riesensatz gegen die Scheibe.
Klirr. Krach.
Drinnen saß jaulend Seppl und schleckte seine blutenden Vorderbeine. Draußen war niemand mehr, denn der Fuchs erzählte sicher das Geschehen bereits seinen Kumpels und die hielten sich mit einer Pfote die Bäuche vor Lachen, während sie mit der anderen Pfote Gesetzbücher schwenkten. Das einzige Fenster im Haus, das noch nicht gegen ein modernes mit Doppelglas ausgetauscht worden war, hatte ein großes Loch in der Scheibe. Überall lagen teilweise blutverschmierte Scherben herum.
»Beschwer dich nicht«, sagte eine Freundin. »Schließlich wohnst du in einer Gegend, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen.«