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Samstags bei Ikea

Wie schon an anderer Stelle erwähnt, führte die Entdeckung eines kleinen schwarzen Flecks zur unbeabsichtigten kompletten Renovierung des Schlafzimmers. Der Raum strahlte nun im jungfräulichen weiß und der Holzfußboden glänzte. Die braune Tür, die uns noch nie gefallen hatte, war in den Regenbogenfarben gestrichen worden und langsam wäre es an der Zeit gewesen, das Zimmer auch wieder einzuräumen und seinem eigentlichen Verwendungszweck zuzuführen.


Die Betonung liegt hierbei auf wäre … denn jetzt gefiel uns die Einrichtung nicht mehr. Sie wollte einfach nicht zu dem schönen neuen Zimmer passen und wir beschlossen, nach dem Motto „wenn schon, denn schon“, gleich Nägel mit Köpfen zu machen und fuhren zu IKEA; seit unserem Umzug nach Stoibisch in Hinnedausch leider nicht mehr nur eine Autobahnausfahrt von uns entfernt, sondern über hundert Kilometer.

Da sich eine solche Unternehmung lohnen sollte, blätterten wir stundenlang im Katalog und schrieben einen Einkaufszettel. An erster Stelle stand natürlich ein Bett. Soweit stimmten die Liebste und ich überein. Außerdem waren wir uns einig, angesichts unseres Alters und der diversen Zipperlein dieses Mal wirklich auf eine gute Matratze und einen Federholzrahmen zu achten.

Die nächste Frage war schon etwas schwieriger zu beantworten. Wie breit sollte dieses Bett sein? 1,40 m? 1,60 m? 1,80 m? Wie viel Nähe erträgt eine Lesbe? Oder andersherum, wie viel Abstand in der Nacht braucht sie? Schließlich handelt es sich bei uns nicht mehr um jugendliches frisch verliebtes Pärchen, sondern um zwei Damen im etwas fortgeschrittenen Alter, die sich zudem bereits seit vielen Jahren kennen.

Nachdem wir auch dieses Problem geklärt hatten, kamen wir zum Wesentlichen. Die Modelle, die mir gefielen, veranlassten sie zu pikiertem Stirnrunzeln und Kommentaren wie: „Farbe und Form beleidigen mein künstlerisches Auge.“

Leider bin ich nicht mit diesem Auge ausgestattet, weshalb mir auf ihre Vorschläge nur ein lapidares: „Das ist ja scheußlich!“ als Antwort blieb. Bevor sich daraus eine dramatische Beziehungskrise entwickeln konnte, beschlossen wir vor Ort eine Entscheidung zu treffen und gegebenenfalls vor Publikum in der Bettenabteilung unseren Streit auszutragen.

An einem Samstag machten wir uns wohlgemut auf zu IKEA. Unterwegs begegneten wir weder landwirtschaftlichen Fahrzeugen noch sonstigen Störenfrieden und kamen unerwartet zügig voran. Nur die neue Autobahnauffahrt in Sinsheim, einer der Austragungsorte der nächsten Frauenfussballweltmeisterschaft, irritierte uns und beinah wären wir daran vorbeigefahren.

Der Stau begann erst ein paar Hundert Meter vor der Einfahrt zu IKEA. Ab da ging es nur im Schritttempo voran und gemeinsam mit vielen anderen Autos irrten wir über eine halbe Stunde auf dem Parkplatz herum, bis wir endlich eine freie Lücke fanden. Die Liebste fand es zwischendurch äußerst witzig, im Parkhaus bis in den obersten Stock zu fahren. Meine unterhaltsamen Schreikrämpfe hielten sie davon ab, anzuhalten und sich mit anderen Autofahrern eine Schlägerei zu liefern.

Irgendwann betraten wir die Heiligen Hallen des schwedischen Möbelhauses und suchten einen Informationsschalter. Vor Monaten hatten wir online einen Geschenkgutschein bestellt, der leider nie bei uns eintraf, und das wollten wir nun endlich klären. Die Schlange vor dem Schalter war ungefähr ebenso lang wie die vor dem Parkplatz, und eine stets um Freundlichkeit bemühte Dame versuchte, ihrem störrischen Computer Details zu entlocken. Schließlich bat sie uns, in einer halben Stunde wiederzukommen. Es sei der erste Samstag im Monat, erklärte sie, die Leute haben ihr Gehalt bekommen … was IKEAs EDV anscheinend nur schwer ertragen kann.

In der Bettenabteilung wimmelte es von Menschen. Die meisten hatten jedoch kein Interesse an den Ausstellungsstücken, sondern gönnten nur sich und ihren müden Beinen gemeinsam mit Kind und Kegel eine Ruhepause. Sie saßen auf den Betten und unterhielten sich seelenruhig über das Wetter, während die Liebste begann, an den Gestellen zu rütteln und sie auf ihre Stabilität zu überprüfen.

Erst hier bemerkte ich, dass ich mich von ihr in eine Falle hatte locken lassen. Mehr als fünf Menschen auf einem Haufen lösen bei mir Panikanfälle und Platzangst aus. Zudem hatte ich mich noch immer nicht ganz von dem Hochgebirgsausflug im Parkhaus erholt. Während ich um Fassung rang, suchten sie und ihr künstlerisches Auge ein Bett inclusive allen Zubehörs aus und ich wunderte mich, welch exorbitante finanzielle Ansprüche so ein einziges Auge stellen kann.

Die Dame an der Information hatte ihren Computer noch immer nicht zur Räson gebracht und wir gingen erst mal was essen. Die leckeren Salate mit den Krabben und Ähnlichem verkniff ich mir. Die Liebste ist hochgradig allergisch gegen Schalentiere und hätte dann mindestens zwei Tage lang einige Meter Abstand zu mir gehalten … so ein neues Bett will ja auch eingeweiht werden.

Der Computer streikte immer noch und wir wählten einen Bürostuhl für mich aus, weil die Liebste der Meinung war, ich bräuchte ihn. Der Computer … und wir machten uns auf die Suche nach Bettwäsche. Der Computer … und uns fiel ein, dass wir auch so was wie Nachttischchen gebrauchen könnten.

Als der Computer dann immer noch … wurden wir endlich misstrauisch, ansonsten hätten wir vielleicht noch Stunden fleißig weiter eingekauft. Wir befragten einen Herrn vom Schalter nebenan, erhielten den Gutschein und machten uns auf den Weg zur Kasse.

Unterwegs luden wir für den Hund schnell noch ein neues Bett in den Einkaufswagen, er hatte schließlich an Anrecht auf ein Mitbringsel. Fusselrollen kann frau immer gebrauchen, wenn sie Viecher im Haus hat und »Haben wir eigentlich noch Teelichter?«. Die Liebste fand eine Tüte mit Magneten, dabei hatte sie gar nicht danach gesucht, während ich eine Uhr für die Waschküche als eine praktische Erwerbung empfand. Dass uns Kleiderhaken für die Tür fehlen, hatte ich bisher zwar nicht gewusst, aber frau kann ja nicht alles im Kopf behalten.

Um 18 Uhr 19 näherten wir uns dem Kassenbereich. Alle diejenigen, die Stunden zuvor mit uns über den Parkplatz geirrt waren, standen nun ebenfalls an einer der Kassen an. Es ging nur schrittchenweise vorwärts. Die Liebste langweilte sich und besorgte noch schnell was, das in einem riesigen Karton verborgen war und dessen Inhalt ich bisher nicht sehen durfte. Die Servietten sahen richtig niedlich aus und in der schwarzen schmalen Vase wird eine Sonnenblume sich bestimmt gut machen. Damit war dann endlich Schluss, es passten auch nur noch zwei schwarze Stühle fürs neue Schlafzimmer auf den Einkaufswagen.

Um 19 Uhr 12 erreichten wir endlich die Kasse und ich fragte mich, woher eigentlich der Besteckkasten und dieses runde Ding aus Edelstahl kamen. Allerdings konnte ich nicht länger darüber nachdenken, denn die schwedische Schokolade und die Lakritzbänder (die der Duden Korrektor soeben in Plastikbänder verwandeln wollte) warteten. Die Liebste wollte einen Hotdog und gemeinsam schmachteten wir nach einer Zigarette.

Um 19 Uhr 46 hatten wir endlich auch unser neues Bett und die Matratze und die Federholzrahmen und noch so ein paar Dinge aus der Warenausgabe abgeholt und fragten uns, wie wir das alles in unserem Auto verstauen sollten. Ich verrate es Euch: Es funktionierte nur mit Auspacken einiger Teile, umgeklapptem Rücksitz und offen stehendem Kofferraum sowie der festen Hoffnung, in keine Polizeikontrolle zu geraten.

Um 20 Uhr 20 konnten wir endlich nach Hause fahren. Der Hund empfing uns beleidigt, und als er sah, dass künftig ein Kleinkindsicherheitsgitter ihm den Zugang zum Schlafzimmer versperren wird, protestierte er mit einer Pfütze im Bücherzimmer.

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