Gestern Abend im Fernsehen, die 999. Diskussionsrunde zum Thema verrücktes Fleisch und gesundes Essen. Ein Thema, das unsere Oma sehr interessiert. Schließlich ist sie nicht umsonst inzwischen fast 93 Jahre alt geworden.
Aber sie versteht nichts. Und wenn sie nichts versteht, ist es mit unserer Feierabendruhe vorbei. Die Liebste ergreift die üblichen Maßnahmen: Fernseher lauter, neue Batterie ins Hörgerät. Oma versteht immer noch nichts. Die Liebste ruft mich zu Hilfe. Eine Stunde später haben wir sämtliche Knöpfe am Fernseher einmal rund gedreht, das Hörgerät auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt, Oma die Ohren geputzt und den Satz »Ich versteh kein Wort« in zwanzig verschiedenen Varianten von freundlich bis quenglig über uns ergehen lassen.
Erst als der Moderator von der »young generation« spricht, die mehr auf »eating round a clock« steht, untermalt von Omas »Ich verstehe kein Wort«, begreifen wir.
Es geht nicht ums Hören, es geht wirklich ums Verstehen. Zu Omas Sprachschatz gehören zwar Wörter wie Trottoir und Plumeau, aber mit Anglizismen kann sie nichts anfangen. Bis vor wenigen Jahren ist das noch kein Problem gewesen. Vereinzelte in den deutschen Sprachschatz aufgenommene englische Wörter hatte sie nach mehrmaligen Wiederholen nicht nur begriffen sondern auch verwendet. Selbst die merkwürdige Konstruktion Handy, die ja wie böse Zungen behaupten, keineswegs englischen Ursprungs, sondern von Schwaben erfunden worden ist »Hän die kei Schnur?«, geht Oma leicht über die Lippen.
In den letzten zwei Jahren hat nicht nur das Gehör meiner Großmutter nachgelassen, sondern auch unsere Sprache sich enorm verändert. Kaffee gibt es im Softbag und bei RTL den Power Samstag mit der Real Life Show. Kein Wunder, dass unsere Oma nichts mehr versteht.
Nur leider versteht sie auch nicht, weshalb sie nichts mehr versteht. Wenn ich ganz ehrlich bin, ich verstehe es auch nicht so richtig und kann ihr also auch nicht erklären, weshalb weder der Ohrenarzt noch ein neues Hörgerät Abhilfe schaffen können. Vor dreißig Jahren begrüßte uns ein Lehrer mit dem Spruch: »Have you sleep very well in your bettgestell?« Damals fand ich ihn nur lächerlich. Heute weiß ich, er war seiner Zeit Jahrzehnte voraus.