Seit ein paar Wochen kann ich mich wieder richtig bewegen, die Krücken sind mittlerweile auf dem Speicher verstaut und allmählich unternehme ich auch mit den Hunden wieder längere Spaziergänge. Selbst das Karpaltunnelsyndrom hat sich in Luft aufgelöst. Es ist ebenso überraschend wieder verschwunden, wie es aus heiterem Himmel aufgetaucht war. Ganz ohne Operation oder sonstige Behandlung. Nicht einmal die verschriebene Schiene habe ich länger als zwei Tage getragen. Sie hat mich mehr behindert, als mir das Gefühl zu geben, nützlich zu sein.
Allerdings gibt es nun ein neues Problem, meine Haare machen mir Sorgen. Sie fallen büschelweise aus, bleiben in Kamm und Haarbürste hängen, liegen morgens auf dem Kopfkissen. Der Hausarzt findet keine Erklärung dafür, denn meine Blutwerte seien vollkommen in Ordnung. Er sagt es nicht laut, aber ich spüre, dass er meine Erzählung über die Menge der ausfallenden Haare für stark übertrieben hält.
Beim Friseur hört die Liebste zufällig ein Gespräch mit an. Eine Frau, die anscheinend auch gerade einen längeren Krankenhausaufenthalt hinter sich hat, beklagt sich ebenfalls über Haarausfall. Die Friseurin versucht, sie zu beruhigen und meint, das habe sie schon häufig bei ihren Kundinnen erlebt. Vermutlich hänge das mit den vielen Medikamenten und dem Mangel an frischer Luft und Sonne zusammen. Nach einer gewissen Zeit reguliere sich das von ganz allein wieder.
Und dann passiert es wieder. Auf einmal kommen die Schmerzen zurück. Von einer Minute zur anderen ist es beinah wieder so wie damals beim Unkrautzupfen. Ich kann mich kaum bewegen und die Liebste muss die Krücken wieder vom Speicher holen.
Schmerzen hin oder her, Facharzttermine sind im ländlichen Raum ein Geduldsspiel. Es dauert, bis ich endlich einen Termin bei dem Orthopäden, der bereits die Knochendichtemessung vorgenommen hatte, bekomme. Damals hatte ich einen guten Eindruck von ihm, er war freundlich und schien kompetent zu sein. Ganz anders tritt er dieses Mal auf. Er ist unwirsch, beinah schon grantig. Bevor ich auch nur ahne, was passiert, versucht er manuell etwas »zurechtzurücken«. Dabei tut er mir so fürchterlich weh, dass ich laut brülle und selbst die Liebste im Wartezimmer zusammenzuckt. Anschließend gibt er mir deutlich zu verstehen, ich solle mich nicht so anstellen, sondern bewegen. Dann werde es schon besser werden.
Brav versuche ich, der Empfehlung zu folgen und schleppe mich sogar mehrmals täglich die Treppen rauf und wieder runter. Doch Besserung ist nicht in Sicht. Im Gegenteil, die Schmerzen scheinen jede Stunde ein wenig schlimmer zu werden, obwohl ich mittlerweile schachtelweise Schmerztabletten schlucke. Schließlich fordert mich der Hausarzt auf, bei einem anderen Orthopäden eine zweite Meinung einzuholen.
Die Praxis des neuen Orthopäden ist knapp 30 km von unserem Wohnort entfernt. Wir haben ihn nach dem Zufallsprinzip ausgesucht. Die Auswahl ist nicht besonders groß und eine Empfehlung konnte aus unserem Umfeld auch keine_r abgeben.
Von der Anmeldung werde ich zuerst direkt zum Röntgen geschickt. Ich überlege mir zum xten Mal, wie ich möglichst genau erkläre, was los ist. Mir graut davor, noch einmal als Simulantin oder Zimperliese hingestellt zu werden.
Doch als ich schließlich nach langem Warten mit der Liebsten im Schlepptau ins Sprechzimmer humple, erweist sich, dass all die Überlegungen unnötig gewesen waren. Noch bevor ich etwas sagen kann, dreht der Arzt den Bildschirm in unsere Richtung, deutet darauf und sagt: »Kein Wunder, dass Sie Schmerzen haben. Die Dynamische Schraube ist gebrochen!«
Fassungs- und beinah sprachlos hören wir ihm zu, während er von einer weiteren Operation und einer künstlichen Hüfte spricht. Wenn ich nicht von den wochenlangen Schmerzen bereits so zermürbt gewesen wäre, hätte ich mir vielleicht ein paar Gedanken darüber gemacht, wie und wo es medizinisch weitergehen soll. Doch die schlechte Nachricht hat mir den Rest gegeben und halb betäubt stimme ich allem zu, was der Arzt vorschlägt. Nicht einmal sein Hinweis, ich hätte natürlich das Recht, mir eine weitere Meinung einzuholen, interessiert mich.