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Lesben und Schwule an die Macht???

Letzten Montag hieß das Thema bei Sandra Maischberger »Lesben und Schwule an die Macht«. Im Internet oder auch auf Twitter wurde intensiv für die Sendung Werbung betrieben. Lesben und Schwule als Thema einer ganzen Sendung! Welch ein Ereignis für die lesbisch-schwule Welt. Das müssen sich doch alle ansehen!

»Lesben und Schwule an die Macht«????

Thema verfehlt oder falscher Titel kann ich da nur sagen. Denn zu sehen und zu hören bekam ich schwule Männer und eine Quotenlesbe aus dem künstlerischen Bereich. Erinnerungen an »Internationalen Frühschoppen« der Sechziger Jahren stiegen in mir auf: »Männer erklären die Welt.«

Im Vorfeld las ich eine Twitternachricht: »Es ist gelungen, eine ganze Lesbe für diese Sendung aufzutreiben …«

Wahre Worte und dennoch war ich hellauf begeistert über die Herangehensweise von Sandra Maischberger an dieses Thema. Denn selten zuvor wurde bisher das Dilemma, in dem sich lesbische Frauen befinden, einem Millionenpublikum derart eindrucksvoll demonstriert.

Lesben sind im Gegensatz zu den Schwulen nur im künstlerischen Bereich sichtbar. Lesbische Paare mit Kindern sind uninteressant. Frauen, die Kinder erziehen, waren doch schon immer Selbstverständlichkeit. Väter, die sich um ihre Kindern kümmern, gelten noch immer als eine kleine Sensation – und schwule Väter sind somit erst recht für eine Schlagzeile gut. Schwule Politiker kennen inzwischen alle. Lesbische Politikerinnen? Mal scharf nachdenken, vielleicht fällt uns ja die eine oder andere ein?

Eine sicher nicht repräsentative, dennoch vielsagende kleine Umfrage in meinem heterosexuellen Umfeld ergab: Beim Stichwort »schwul« wird an Wowereit und Westerwelle gedacht. Bei Lesben kommt spontan: »Hella von Sinnen« und nach kurzem Zögern: »Lena Odenthal oder wie heißt diese Tatortkommissarin noch gleich?«

Es ist eine Binsenweisheit: Schwule sind Männer und Lesben sind Frauen. Und all die Konflikte, die es in der Welt zwischen den Geschlechtern gibt, hören nicht plötzlich auf, nur weil eine Gruppe von Menschen gemeinsame Anliegen, wie z. B. die Lebenspartnerschaft, hat. Allein schon dieses Wort ist durch und durch männlich und eine Beleidigung für jedes verheiratete lesbische Paar. Ein schwuler Mann hat einen Lebenspartner, eine lesbische Frau eine Lebenspartnerin. Eine Lesbe mit einem Lebenspartner gibt es schlicht und einfach nicht. Oder habe ich da was falsch verstanden und sollte mal meine Identität überdenken?

Heutzutage geht es in der lesbisch-schwulen Welt nicht anders zu als in den Siebziger bei der politischen Linken. »Erst mal Weltrevolution«, wurde uns Frauen damals von den Genossen beschieden. »Ihr müsst solidarisch sein. Wir dürfen uns nicht spalten lassen!«

»Erst mal gegen Diskriminierung und für Gleichstellung«, heißt es nun und wieder wird von Männern an die Solidarität der Frauen appelliert. Ebenfalls über Twitter kam gestern z. B. ein Aufruf: »Tragt die Schleife!«

Am 1. Dezember ist der Weltaidstag. Ein wichtiges Thema, ein sehr ernstes Thema, mit dem ich mich schon Anfang der Achtziger Jahre beschäftigt habe. Zu einem Zeitpunkt, als viele Heteros noch der Ansicht waren, diese Krankheit beträfe ausschließlich Schwule und ginge sie deshalb nichts an. Und darüber hinaus viele Schwule meinten, die Bildzeitung verbreite ein homophobes Horrorszenario und wolle nebenbei die Kassen der Kondomhersteller füllen.

»Tragt die Schleife!« klingt nach dem Aufruf eines Mannes, der ganz selbstverständlich davon ausgeht, dass HIV und Aids im lesbischen Leben einen ebenso hohen Stellenwert haben muss wie bei den Schwulen.

»Seid solidarisch!« wird hier gefordert. Und die Rosa Schleife? Und das um vielfach höhere Risiko einer Lesbe an Brustkrebs zu erkranken als an Aids?

Lesben wie die Liebste und ich tragen die Rote Schleife ganz selbstverständlich. Wo verdammt noch mal sind die Schwulen mit der Rosa Schleife? Solidarität ist keine Einbahnstraße!

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