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Oma erklärt Opa den Computer

Letztes Jahr feierte eine Freundin ihren 65. Geburtstag. Einige Wochen vor dem großen Ereignis verschickte sie eine Rundmail, in der u. a. stand:

»Dies ist ein besonderes Datum für mich, denn nun kann ich endlich alle Vorteile des Alters für mich ungeniert in Anspruch nehmen … ich brauche meine Haare nicht mehr zu färben, sondern kann hemmungslos ‚die Ehrfurcht vor schneeweißen Haaren‘ einfordern … ich kann anziehen, was ich will, sogar meine Walton-Kleider, das schlimmste, was die Leute sagen können, ist :‚Guck mal, die schrullige Alte!‘ … ich kann die Friedensfahne auf unserem Dach das ganze Jahr über flattern lassen und nicht nur, wenn grade mal im Bundestag eine Abstimmung über die Verlängerung der Bundeswehr-Einsätze in Afghanistan ansteht … und ich brauche mich nicht mehr zu schämen, wenn ich in stay friends oder facebook nach alten Klassenkameraden oder Liebschaften suche, um zu gucken, wie die heute aussehen … ich möchte zu meinem Geburtstag keine E-Mails oder e-Glückwunschkarten haben, sondern stinknormale Geburtstagskarten, damit mein Briefkasten endlich mal richtig voll ist … eine Geburtstagskarte kann man selbst basteln oder im Schreibwarengeschäft kaufen, dann schreibt man was rauf und steckt sie in einen Briefumschlag, klebt eine Briefmarke rauf und steckt sie in einen Briefkasten (gelb !) …«

»Opa, das kannst du auch«, heißt eine Buchreihe, die über unsere Lokalzeitung verkauft wird. »Mein Enkel erklärt mir den Computer« – »Mein Enkel erklärt mir das Internet« – »Wir lernen digitales Fotografieren« lauten die Titel der einzelnen Bücher. Auf den Covern sieht man jeweils einen grauhaarigen Herrn gemeinsam mit einem jungen Mann um die Wette strahlen, voller Freude darüber, dass die Weitergabe technischen Wissens generationenübergreifend von einem Y-Chromosom zum Nächsten klappt.

Ich bin meist noch ziemlich verschlafen, wenn ich morgens in der Zeitung blättere und über die Werbung für diese Bücher stolpere. Unbestreitbar, sie hilft mir dabei, schlagartig hellwach zu werden. Mein Blutdruck steigt an, meine Augenlider zucken und jedes Mal wieder kann ich mich nicht entscheiden, worüber ich mich mehr ärgern soll: über den puren Sexismus oder die Altersdiskriminierung? Oder vielleicht auch die schlichte Tatsache, dass die gesellschaftlichen Veränderungen der letzten fünfzig Jahre bei den Verantwortlichen der Lokalzeitung noch nicht ins Bewusstsein gedrungen sind?

»Du interpretierst das vollkommen falsch«, sagte die Liebste neulich. »Diese Bücher sind doch ein großes Kompliment an die Frauenwelt. Im Gegensatz zum Opa hat die Oma in dieser Hinsicht keine Nachhilfe nötig, schließlich müssen ihre Haushaltsgeräte schon seit Jahren programmiert werden. Oder kennst du noch eine Waschmaschine, die einfach nur Knöpfe zum Drehen hat?«

Damit wäre zwar vielleicht der Opa erklärt, aber wie verhält es sich denn mit dem Enkel? Warum erklärt keine Enkelin dem Opa die technische Welt? Eine Bekannte, Ende Fünfzig und dreifache Großmutter, meint dazu: »Wenn ich tatsächlich mal ein PC Problem habe, wende ich mich lieber an den Enkel anstatt an eine der beiden Enkelinnen. Er ist stolz wie Bolle, dass er mir helfen kann, und behält gleichzeitig sein Wissen gern für sich. Die Mädchen hingegen wollen mir immer genau erklären, was sie da gerade machen. Und das dauert dann immer ziemlich lange.«

Liebe Leutchen von der Lokalzeitung: Die Grundlage der heutigen digitalen Welt wurde von einer Frau geschaffen. Augusta Ada King Countess of Lovelace (1815 – 1852) schrieb das erste Programm für den Prototyp eines digitalen Rechners. Nach ihr wurde sogar 1980 vom Pentagon eine universell einsetzbare Computersprache (ADA) benannt.

Wie wäre es denn mit einer Titeländerung ganz ohne Sexismus oder Altersdiskriminierung? »Ada erklärt den Computer«, hört sich das nicht gut an? Oder um auf meine anfangs erwähnte Freundin und ihren Geburtstagswunsch zurückzukommen: »Oma erklärt Opa den Computer« wäre auch noch eine nette Alternative.

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