Menschen, jene selbst ernannte Krönung der Schöpfung, haben weniger Gene als Unkraut. Diese verblüffende Erkenntnis konnte ich neulich bei Spiegel-online lesen. Weniger Gene = weniger Denkvermögen als Unkraut? Endlich habe ich eine Erklärung für die Rächtschraiprehvorm.
„Wie wird denn heutzutage Ketchup geschrieben?“ fragt eine Freundin beim Essen, während sie vergeblich versucht, die rote Zuckertomatenpampe aus der Flasche zu schütteln.
Ist doch eigentlich einfach, nach den neuen Regeln sollen derartige Worte der deutschen Aussprache angepasst werden. Also müsste aus dem bisherigen Ketchup inzwischen Kätschab geworden sein. Ebenso wie aus der edlen französischen Mayonnaise – hochwertiges Öl wird tröpfchenweise mit einem Bioeidotter verrührt, bis sie die richtige Konsistenz hat – mittlerweile deutsche Majonäse geworden ist. Dieses Wort allein sieht schon so ordinär aus, dass frau automatisch an schmierölgetränkte Pommes von der Bude neben dem Bahnhofsclo denkt. Ein Blick in den Duden belehrt uns, dass Ket(s)chup zwar mit s geschrieben, aber hinten immer noch up ist und weiterhin ab ausgesprochen wird.
Schon in meiner Schulzeit war uns armen SchülerInnen versprochen worden, die Rechtschreibung solle in absehbarer Zeit einfacher werden. Eine Kommission sei bereits dabei, die entsprechenden Richtlinien auszuarbeiten. Das war ungefähr vor 35 Jahren, aber wie heißt es so schön: „Gut Ding will Weil haben“. Das Eszett werde verschwinden, hieß es damals. Dieser Buchstabe sei ein Unikum der deutschen Sprache und ganz leicht durch zwei s zu ersetzen. Den Ärger mit der Groß- oder Kleinschreibung gebe es dann ebenso nicht mehr wie den mit der Zusammen- und Getrenntschreibung. Nur noch Namen und Satzanfänge würden groß geschrieben und alle Wörter einzeln, schön auseinander, jedes für sich. Alles sollte einleuchtender und durchschaubarer werden.
Allerdings scheint da etwas verdammt schief gegangen zu sein. Denn als die Reform fertig war, wurde sie erst noch einmal reformiert, damit dann die Ausnahmeregeln der reformierten Reform ausgearbeitet werden konnten, um diese wiederum den Regeln der ursprünglichen Reform anzupassen – wenn Eine diesen Satz nicht verstehen kann, ist das normal, denn den Reformen der Reformen bei der Rechtschreibung kann längst niemand mehr folgen. Und spätestens seit viele Verlage und Zeitungen zur alten Rechtschreibung zurückkehrt sind, ist das Chaos perfekt. Mir tun nur die Schulkinder von heute Leid, ihnen muss doch jeder Durchblick fehlen.
An das f anstelle des ph haben wir uns längst gewöhnt. Schon lange vor der Reform war aus dem Photo ein Foto geworden, warum jetzt also nicht Delfin statt Delphin. Diese Regel ist wenigstens begreiflich und nachvollziehbar. Die Sache mit den drei Buchstaben hintereinander sieht zwar komisch aus, ist aber ebenfalls logisch. Kennen wird mit zwei n geschrieben, Nummer hat ein n; natürlich wird daraus nun die Kennnummer.
Warum aber Ketchup vorne mit s angepasst und hinten alles beim Alten bleibt, ist nur eines der vielen Rätsel. Das Eszett gibt es nach wie vor nicht nur als Schokoladenschnitte. Nur die Regeln, wann es eingesetzt wird, wurden teilweise geändert. Bei mir führt das dazu, dass ich das Wörtchen dass – früher mit Eszett, heute mit zwei ss – gelegentlich nur mit einem s schreibe. Ganz einfach weil mein Gehirn für dieses Wort aus jahrelanger Gewohnheit 3 Tippanschläge an die Fingerspitzen meldet. Als schreibe ich dass weiterhin mit Eszett und lasse es dann von der Wordrechtschreibprüfung automatisch verbessern.
Eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen diese Rechtschreibprüfung auch einsetzbar ist. In der Regel sind Word, der Duden und meine Wenigkeit stets verschiedener Meinungen, was die Schreibweise gewisser Worte angeht. Ich schreibe etwas, Word macht Verbesserungsvorschläge und ein Blick in die Duden zeigt dann in dritter Version, wie es richtig geschrieben wird. Vorausgesetzt, der benutzte Duden ist auch auf dem Laufenden. Diese Reformen der Reformen haben zu ständig neuen Ausgaben des Wälzers geführt. Neulich schrieb eine Bekannte in einer Mail ein Wort in drei verschiedenen Versionen und in Klammer dahinter: Duden Auflage 1999, Duden Auflage 2001, Duden Auflage … – „Such dir aus, was dir besser gefällt.“
Und genau das mache ich. Meine seit der Schulzeit sowieso schon kreative Rechtschreibung ist in den letzten vier, fünf Jahren noch kreativer geworden. Ich habe keine Zeit, um stundenlang nach den jeweils gerade aktuellen Versionen zu suchen. Und ich habe leider zu wenig Gehirnzellen, um diese ständigen Veränderungen auch im Gedächtnis zu behalten. Ich schreibe, wie es mir gerade in den Sinn kommt, und setze Kommata nach ästhetischen Gesichtspunkten. Solange ich dabei nicht das Vogel-V mit einem F verwechsle und das lange ie von dem kurzen i unterscheiden kann, bin ich mit dem Ergebnis zufrieden. Bei den vermeintlichen Fehlern in den Kolumnen und anderen Texten auf dieser Seite handelt es sich allerdings nicht immer um kreative Rechtschreibung. Gelegentlich sind es auch ganz normale Tippfehler. Wer welche findet, darf sie gerne behalten. Oder mir eine Mail schreiben, damit ich sie verbessere.