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Schlagwort: Trauer

Meine Urgroßmutter, die nicht um ihren Sohn trauern durfte

»Erzählungen über Bombenangriffe, Tote, Flucht und plötzlich verschwundene Nachbarn waren in meiner Kindheit Normalität. Je nach Zusammensetzung am sonntäglichen Kaffeetisch wurde mal mehr über das eine oder das andere geredet. Doch beinah ausnahmslos landeten die Gespräche immer bei Angst und Gewalt.«

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1945 war erst gestern

Meine Tochter war in der Schule, mein Sohn im Kindergarten, als es klingelte. Ein uniformierter Polizist stand vor Tür. »Bei Bauarbeiten auf der anderen Straßenseite ist eine Fliegerbombe gefunden worden. Sie müssen umgehend Ihre Wohnung verlassen«, teilte er mir mit und wartete, bis ich zwei Kuscheltiere meiner Kinder und mein Köfferchen mit den Dokumenten gefunden hatte.

Die ältere Nachbarin von oben kam leichenblass die Treppe herunter und jammerte laut: »Früher konnten wir wenigstens in einen Luftschutzbunker gehen.« Am nächsten Tag erfuhr ich, dass sie wegen eines Nervenzusammenbruchs in ein Krankenhaus eingeliefert worden war. Meine Kinder machten mir lautstarke Vorwürfe, weil ich in der Aufregung die Meerschweinchen vergessen hatte.

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Sterben

Irgendwann in der Viertelstunde zwischen dem Frühstück und dem wöchentlichen Besuch des Hausarztes muss sie beschlossen haben, dass es nun reicht. Vielleicht hing ihr die Marmelade zum Hals raus, vielleicht schmeckte ihr der Tee nicht mehr. Vielleicht hatte sie sich auch nur ausgerechnet, dass sie nun bereits ungefähr 36.000 Mal morgens aufgestanden und abends wieder ins Bett gegangen war.

Als der Arzt kommt, sagt er nicht wie sonst immer: »Sie haben einen Blutdruck wie ein junges Reh!«, sondern holt sein Stethoskop aus der Tasche und horcht sie ab.

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