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Verliebt, verlobt, verpartnert, geoutet

Es ist nicht möglich, auch nur annähernd genaue Zahlen darüber zu finden, wie viele Eingetragene Lebenspartnerschaften es in Deutschland gibt. Bisher hatte ich zwar geglaubt, bei uns werde über jede noch so kleine Kleinigkeit Buch geführt, das amtliche Eheglück von Lesben und Schwulen jedoch scheint dieser Erfassungswut bisher entgangen zu sein. Einzelne Bundesländer, wie z. B. Berlin, führen zwar eine Statistik. Von dort aus allerdings Rückschlüsse auf einen Flächenstaat wie Baden-Württemberg ziehen zu wollen, hielte ich für sehr gewagt.

Im Jahr 2005 wurde die Zahl der »Homoehen« auf ca. 10.000 schwule und 5000 lesbische Verbindungen geschätzt. Mir ist nicht ganz klar, wie man auf dieses Ergebnis, das durch das Internet geistert, gekommen ist. Ein Mitarbeiter im Stuttgarter Innenministerium bestritt vor ein paar Wochen in einem Telefonat energisch, dass in unserem Bundesland jemals Erhebungen in dieser Hinsicht durchgeführt worden sind. Weiter behauptete er, es ginge dabei einzig und allein um den Datenschutz, die Privatsphäre von Lesben und Schwulen müsse geschützt bleiben. Es seien schließlich die Homosexuellen, die nicht in die Öffentlichkeit gezerrt werden wollten. Als ich mich nach einer anonymisierten Zählung der Eingetragenen Partnerschaften erkundigte, wurde er ziemlich unwirsch und meinte, ich würde schlicht nicht das Grundproblem bei dieser Thematik verstehen und für weitere Erklärungen habe er keine Zeit mehr.

Das statistische Bundesamt kam 2007 nach einem Mikrozensus zu dem Ergebnis, in Deutschland würden rund 68.000 Paare als gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften »ohne Trauschein« in einem Haushalt zusammenzuleben. Meiner Ansicht nach ein mehr als fragwürdiges Ergebnis, denn allein in unserem Umfeld gibt es zwei lesbische Paare, die mit Sicherheit Antworten auf Fragen nach ihrer sexuellen Identität sowie möglichen Partnerschaften und gemeinsamen Haushalten strikt verweigert hätten. Weiter kenne ich ein schwules Paar, das zwar zusammenlebt, bei dem aber einer der Partner auf dem Papier heterosexuell verheiratet ist und aus bestimmten Gründen nicht plant, an diesem formalen Zustand jemals etwas zu ändern.

Doch ganz egal, wie viele Schwule und Lesben es bei uns gibt, welche davon in einer Liebesbeziehung oder in einem gemeinsamen Haushalt leben oder zusätzlich noch verpartnert sind, bei all den Angaben, die ich gefunden habe, sticht eine Tatsache immer wieder deutlich hervor: Wesentlich mehr Schwule als Lesben scheinen bereit zu sein, ihren Status nach außen hin sichtbar zu machen.

Das Zahlenverhältnis bei den Eingetragenen Partnerschaften wundert mich wenig. Frauen sind nach allem, was ich bisher darüber gelesen habe, allgemein immer weniger an einer Ehe interessiert. Es macht dabei erst mal keinen Unterschied, ob es sich um Heten oder Lesben handelt. Selbst bei uns hier auf dem Land ist es mittlerweile üblich, dass Heteros erst offiziell heiraten, wenn sich der Liebe ein weiterer Anlass hinzugesellt hat. Sei es eine Schwangerschaft oder Kauf eines Bauplatzes. Paare, die einfach nur »Weil wir uns lieben« als Grund angeben, sind beinah schon ein Fall für das Raritätenkabinett. Auch die Liebste und ich hätten niemals nur aus Zuneigung geheiratet, sondern es gab bei uns darüber hinaus noch andere Dinge, die uns zu diesem Schritt veranlasst haben.

Bleibt die Frage, weshalb im Gegensatz zu Schwulen nur so wenige Lesben überhaupt zugeben wollen, in einer Beziehung zu leben. Eine Ursache liegt mit Sicherheit in den sogenannten Frauenberufen. Erzieherinnen, Sozialarbeiterinnen, Altenpflegerinnen, Krankenschwestern, sie alle arbeiten vielleicht schon in kirchlichen Einrichtungen oder rechnen damit, dass dies eines Tages einmal der Fall sein könnte. Sich gegenüber Kolleg_innen zu outen und vom Privatleben zu erzählen, ist häufig kein Problem. Eine meiner Freundinnen arbeitet bei der Caritas in einer Leitungsfunktion. Alle, vom obersten Chef bis zur Putzfrau wissen, dass sie lesbisch ist, schon allein deshalb, weil an der Heckklappe ihres Autos ein Aufkleber mit dem Logo des Lesbenrings prangt.

Solange sie offiziell nur in einer Wohngemeinschaft mit einer anderen Frau wohnt, schließlich ist das Haus ja so groß, ist alles in Ordnung. Kritisch würde es allerdings dann werden, wenn sie laut verkünden würde: »Ich lebe mit meiner Freundin zusammen«. Oder sie nicht mehr mit mündlichen Hinweisen zufrieden wäre: »Ihre Bekannte können Sie ruhig mitbringen.«, sondern darauf bestehen würde, dass ihre Partnerin schriftlich miteingeladen wird.

Zudem befinden sich Schwule im Berufsleben in einer wesentlich besseren Position als Lesben – aufgrund der Tatsache Mann, den Gehaltsunterschieden, den Beförderungsmöglichkeiten. Selbst das Argument: »Als Lesbe werde ich nicht wegen Schwangerschaft ausfallen«, zieht inzwischen nicht mehr. Weiß man doch aus den Medien und manchen Filmen, dass lesbische Frauen Samenbanken aufsuchen.

Der häufigste Grund aber, weshalb viele Lesben es vorziehen, halb versteckt zu leben, ist die Angst vor Mobbing, vor Anmache, vor Anzüglichkeiten und Gewalt. Natürlich sind davon ebenfalls die Schwulen betroffen. Auch ihnen wird das Leben gelegentlich verdammt schwer gemacht.

Ein Schwuler, der am Arbeitsplatz wegen seiner sexuellen Orientierung gemobbt wird, kann das in der Regel problemlos zuordnen, gegebenenfalls deswegen Krach schlagen oder andere Konsequenzen ziehen. Eine Lesbe hingegen muss sich erst mal überlegen, ob ihr das nun als Frau oder Lesbe oder als eine Kombination aus beidem passiert, was wesentlich mühseliger ist.

Seit Wowereit sich geoutet hat und ab und zu gemeinsam mit seinem Partner auftritt, wird immer wieder nach den lesbischen Politikerinnen gefragt. Die Gerüchteküche brodelt, was ich auch an den Suchbegriffen auf der Karnele sehen kann, mal ganz abgesehen von gewissen Angeboten, ob ich an dieser oder jener Information interessiert wäre.

Auch Westerwelle zeigt sich ganz offen und selbstverständlich mit seinem Lebensgefährten in der Öffentlichkeit. »Das könnte doch eine lesbische Ministerin auch machen«, heißt es immer wieder. »Man weiß doch sowieso, dass … Frauen liebt und sogar mit ihrer Partnerin zusammenlebt.«

Ich rate diesen Leuten, sich einmal die Tweets von gestern zum Thema Lesben anzusehen. Denn es gibt einen gravierenden Unterschied. Der schwule Politiker wird sicher häufig als abartig usw. beschimpft die lesbische Politikerin wird auf ein Sexualobjekt reduziert.

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