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Warum ich am 22. grün wählen werde

In der leicht irren Hoffnung, vielleicht doch noch ausschlaggebende Argumente für eine Wahlentscheidung zu finden, habe ich mich in den letzten Tagen durch die verschiedenen Wahlprogramme gearbeitet.

Sehen, hören und beißen zu können, gehört für mich zu den Menschenrechten. Ich halte es für einen Skandal sondergleichen, dass in einem reichen Land wie unserem Brillen, Hörgeräte und Gebisse zum reinen Privatvergnügen geworden sind. Unvergessen die arrogante Empfehlung der ehemaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt: „Wenn Sie kein Geld für eine Brille haben, nehmen Sie einen Kredit auf!“

Werde ich mir Zukunft eine Brille leisten können oder nicht, beantwortet mir aber kein Wahlprogramm der Parteien und ist somit als Wahlkriterium ungeeignet. Ähnliches gilt für Rente oder Pflege. Verschiedene Ansätze, verschiedene Schwerpunkte, aber im Grunde genommen geht es nur um die Frage, welche Bevölkerungsgruppen am meisten und welche am wenigsten unter den sogenannten Reformen und Reförmchen zu leiden haben werden. Eindeutig sind hier nur die FDP – „Wer nicht genügend verdient, um sich privat versorgen zu können, soll unter eine Brücke ziehen oder noch besser: sich am nächsten Baum aufhängen!“ – und die Linke, deren Forderungen und Vorstellungen unglaublich verlockend klingen, aber wahrscheinlich nie finanzierbar sein werden.

Steuerrechenkünste sind noch nie mein Fall gewesen, teilweise verstehe ich noch nicht mal, worum es den Parteien eigentlich im Detail geht. Konkret weiß ich nur eines: Alleinerziehende werden steuerlich benachteiligt. Das ist schon vor dreißig Jahren so gewesen und hat sich seither nicht geändert, weder unter Kohl noch Schröder noch Merkel. Also sind die jeweiligen Steuerpläne ebenfalls kein Wahlkriterium für mich.

Ich könnte hier jetzt noch seitenweise Punkte aufführen, die für mich wichtig sind, bei denen ich aber ebenfalls keiner der Parteien wirklich über den Weg traue. Ganz egal, was sie jetzt im Wahlkampf versprechen mögen, Realpolitik, Sach- und Koalitionszwänge werden später die Pferde gleich herdenweise vor Apotheken kotzen lassen.

Würde ich nur als Lesbe wählen gehen, hätte ich keine Probleme, mich zu entscheiden. In diesem Bereich meines Lebens fühle ich mich bei den Grünen gut aufgehoben. Sicher, LGBT Politik steht inzwischen bei allen wichtigen Parteien außer der CDU im Programm, aber nur bei den Grünen ist sie eine wirkliche Herzensangelegenheit und Selbstverständlichkeit. Bei ihnen muss ich keine Angst haben, dass zum Beispiel im Falle eines Falles die Eheöffnung der Machtpolitik geopfert werden wird. Dafür wird schon Volker Beck sorgen, notfalls alleine gegen den Rest der Welt. (Auch wenn mich sein oft polemischer Wahlkampf in den letzten Wochen ziemlich geärgert hat).

Und dann gibt es da vor Ort noch die vier grünen Kreisrätinnen, ohne die das Leben im Testosteronnebel manchmal kaum zu ertragen wäre, und eine grüne Landtagsabgeordnete, die sich für eine Änderung des Waffenrechts engagiert …

Mag ja sein, dass bei einer Bundestagswahl regionale Gründe keine große Rolle spielen sollten, aber wenn die Bundespolitik nichts Besseres hergibt, sind sie für mich bei dieser Wahl ausschlaggebend.

Also werde ich am Sonntag grün wählen.

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