»Göttin sei Dank. Es ist vorbei!«, stellten viele meiner Freund_innen und ich irgendwann in den letzten Jahren begeistert fest. Doch nicht allzu lange Zeit darauf merkten wir, sooo vorbei war »es« noch gar nicht, wir hatten zu früh gejubelt. Diese Menstruation ist nämlich nicht nur verdammt hartnäckig, sondern auch hinterhältig und liebt es, genau zu dem Zeitpunkt wieder in unser Leben zu treten, wenn sie überhaupt nicht mehr erwartet wird.
Nach fünf, sechs Monaten Abwesenheit taucht sie plötzlich wie aus dem Nichts wieder auf und scheint bösartig grinsend zu rufen: »Guck mal, da bin ich wieder« … nur, um kurz darauf erneut zu verschwinden. Zuvor wartet sie allerdings ab, bis frau auf der verzweifelten Suche nach der letzten angebrochen Packung Tampons die ganze Wohnung auf den Kopf gestellt, sämtliche Taschen und Rucksäcke ausgeleert, Kolleginnen angebettelt und im Drogeriemarkt Nachschub besorgt hat. Deshalb ist die »Beerdigung der letzten Binde« keine wirklich gute Idee, eine solche Zeremonie scheint die Menstruation als sportliche Herausforderung anzusehen.
»Immer noch?«, fragte mich eine junge Frau, als ich wieder mal meine Wechseljahre erwähnte. »Das dauert schon eine Weile«, antwortete ich und hatte dabei damals selbst noch keine Ahnung, wie lange sich dieser »Zustand« tatsächlich hinziehen kann. Natürlich tickt jede Frau anders und geht auch anders damit um, aber von den allerersten Anzeichen bis zur letzten kleinen Hitzewallung in einer schlaflosen Nacht vergehen schon so an die acht bis zehn Jahre, wie mir zu meinem Entsetzen schließlich eine Gynäkologin erklärte. Also müsste ich diese Frage auch heute noch mit »Ja« beantworten, falls sie mir noch einmal gestellt würde, und würde inzwischen wahrscheinlich hinzufügen: »Ich hatte ja gar keine Ahnung, was da alles auf mich zukommt.«
Eine Zeit lang war es sehr modern, Frauen einzureden, Wechseljahrsbeschwerden existierten gar nicht, sondern seien eine Erfindung der patriarchalischen Verhältnisse. Die Angst davor, keine vollständige Frau mehr zu sein, führe zu gewissen Abwehrmechanismen und den berühmt-berüchtigen Hitzwallungen. Sobald frau akzeptiere, nicht mehr schwanger werden zu können, käme sie ganz prima durch diese Zeit.
Ich muss zugegeben, mir leuchtete diese Theorie ein – wenigstens solange, bis ich feststellte, dass auch manche Lesben, die nie einen Kinderwunsch verspürt hatten, genauso wie Heteras über diverse Beschwerden klagten und Frauen wie ich selbst, deren Kinderphase bereits seit vielen, vielen Jahren abgeschlossen war, trotzdem unter Hitzewallungen, Schlafstörungen und mehr litten.
Viele Lesben aus meinem Umfeld kennen die Pille nur vom Hörensagen, mit Empfängnisverhütung mussten sie sich nie beschäftigen. Glückliche Zeiten, bis die Menstruation anfängt, ihre Scherze zu treiben und plötzlich die Frage von Hormonen, sei es als Pflaster oder als Pille, im Raum steht. Wie eine Hetera müssen sie sich jetzt damit auseinandersetzen, ob sie das aufgezwungene Rezept tatsächlich in der Apotheke einlösen oder lieber in den Papierkorb werfen.
Bis vor ein paar Jahren war das Klimakterium ebenso wie die Menstruation ein absolutes Tabuthema gewesen. Darüber wurde nicht in der Öffentlichkeit und schon gar nicht in Gegenwart von Männern gesprochen. Inzwischen geht frau/man zwar etwas lockerer damit um, doch keineswegs wirklich selbstverständlich oder jederzeit offen. Es hört sich lustig an, wenn zum Beispiel in Talkshows betroffene Schauspielerinnen darüber Witze machen und ihre kleinen Tricks verraten, wie luftige Kleidung, Zwiebellook oder tiefgefrorene Hähnchen an den Hals legen. Doch was macht eine verzweifelte Pfarrerin, die sich bei einer Beerdigung am liebsten alle Kleider vom Leib reißen würde? Die Gesichter möchte ich mal sehen, wenn sie sagen würde: »Tut mir leid, fünf Minuten Pause, ich muss mich kurz mal meiner Kleidung unter dem Talar entledigen.«
Oder welche Politikerin würde sich schon trauen, im Bundestag mit einem Fächer oder einem kleinen Ventilator in der Hand ans Rednerpult zu treten? Lieber nimmt sie einen hochroten Kopf und Schweißperlen auf Nase in Kauf – gleichzeitig voller Angst, dass irgendein Kameramann sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen und mindestens einmal ihr schweißüberströmtes Gesicht in Großaufnahme zeigen wird. Eine Erfahrung, die ich ähnlich vor ein paar Wochen selbst gemacht habe. Bei einer Lesung in einer Buchhandlung, in der eh schon Saunatemperaturen herrschten. Der Pressearsch zoomte unbemerkt mein Gesicht so nah wie möglich heran. Aber selbst wenn ich es registriert hätte, was hätte ich sagen sollen? »He, Sie, lassen Sie das! Ich bin in den Wechseljahren! Nehmen Sie gefälligst Rücksicht darauf!«
Als »es« damals anfing, dachte ich: »So schlimm ist das doch gar nicht. Was die nur alle haben?« Nein, ich wollte keine Sojapräparate schlucken und mir schon gar nicht Hormone aufschwatzen lassen. Stattdessen war ich davon überzeugt, mit ein bisschen Fächern locker und fröhlich durch den Wechsel zu kommen. Jene Lesung und noch eine weitere Veranstaltung, durch die ich mich schwer atmend kämpfte, während Schweißrinnsale am ganzen Körper bis in die Schuhe herunterliefen, haben mich eines anderen belehrt: Wechseljahre sind nichts für die Öffentlichkeit, her mit den Hormonen!