Vor ein paar Jahren noch war das Wort Mobbing beinah unbekannt, nur die Wenigsten konnten damit etwas anfangen. Und wenn man den Begriff erklärte, kam als Reaktion häufig Achselzucken und Verständnislosigkeit. Unbeliebte Kolleg_innen, Knatsch in einer Abteilung habe es doch schon immer gegeben, hieß es dann. Erst nachdem ein paar schlaue Menschen den wirtschaftlichen Gesamtschaden, der durch Mobbing entsteht, ausgerechnet hatten, wurde das Thema allmählich ernster genommen. Mittlerweile gibt es Studien, Bücher, Beratungsstellen und sogar Einteilungen in diverse Untergruppen wie z. B. das Cybermobbing.
In meinem Umfeld gibt es viele Frauen und Männer, die glauben, wenigstens schon einmal in ihrem Berufsleben Opfer von Mobbing geworden zu sein. Wobei die jeweilige Definition, was ist eigentlich Mobbing, doch recht unterschiedlich gesehen und empfunden wird und somit auch die Reaktionen darauf sehr verschieden waren.
Auffällig dabei ist jedoch, dass vier von ihnen, nämlich Frauen, die einen sogenannten früher typischen Männerberuf ausüben – Handwerk, Polizei, Druckbranche, Maschinenbau -, wesentlich eindeutigere und drastischere Erfahrungen schilderten als die Übrigen und teilweise wirklich haarsträubende Geschichten erzählten.
Nachdem was ich im Internet gelesen hatte, war ich eigentlich von Vorfällen in Richtung »sexueller Belästigung« ausgegangen, doch davon hat keine etwas erwähnt. Stattdessen nannten sie einhellig: extreme Kontrolle ihre Arbeitsleistung, akribische Suche nach möglichen Fehlern, Vorenthalten von Informationen, verspätete Weitergabe von Informationen, mysteriöses Verschwinden von Unterlagen, unverständliche bzw. fehlerhafte Anweisungen, unerklärliche Veränderungen in Softwareprogrammen, ignorieren oder lächerlich machen von Vorschlägen bzw. diese dann zu einem späteren Zeitpunkt als eigene Ideen auszugeben.
Einzig die Polizistin fühlt sich von der Chefetage einigermaßen geschützt und hat darüber hinaus für Notfälle entsprechende interne Anlaufstellen zur Verfügung. Die drei anderen meinen resigniert bis verbittert, in ihren Betrieben existiere keinerlei Bewusstsein für dieses Problem und Gespräche seien deshalb in der Regel reine Zeit- und Energieverschwendung. Manchmal würden sie sogar regelrecht schaden, nach dem Motto »Was DIE schon wieder hat …«.
Ein Vorgesetzter soll geäußert haben: »Natürlich liegt das Problem bei den jeweiligen männlichen Kollegen. Doch solange ich nicht mehr Frauen für diesen Bereich bekomme, muss ich so tun, als würde ich nichts bemerken.« Die Ingenieurin ist mittlerweile an dem Punkt angekommen, dass sie sich so schnell wie möglich selbstständig machen will, und eine der Frauen denkt sogar über einen kompletten Berufswechsel nach.
Ich wollte es genauer wissen, doch schon mein Versuch, erst einmal exakte Zahlen über den tatsächlichen Frauenanteil in den sogenannten typischen Männerberufen zu erhalten, blieb trotz zahlreicher Mails erfolglos. Solche Angaben scheint es nur in wirklich großen Unternehmen zu geben und somit sagen sie wenig über die Realität aus. Für die Druckbranche z. B. gibt es nur Statistiken über das allgemeine Männer und Frauenverhältnis. Über den Daumen gepeilt arbeiten dort zwei Drittel Männer und ein Drittel Frauen – incl. der Sekretärinnen, Sachbearbeiterinnen und Putzfrauen.
Weder Unternehmerverbände noch Gewerkschaften scheinen willens oder in der Lage, diesbezüglich einmal konkrete Zahlen auf den Tisch zu legen. Unisono erwähnen sie stattdessen Dinge wie den »Girls Day« und beteuern treuherzig, dass man eigentlich gar nicht verstehen könne, weshalb sich so wenige Frauen für technische Berufe interessierten. Und auch das Thema Mobbing wird anscheinend nur allgemein angegangen und nicht unter dem Aspekt Frauen in Männerberufen.
»Das ist doch damit drin«, schrieb ein mir privat bekannter Gewerkschaftler, den ich um Hilfe bei der Recherche gebeten hatte, und fügte seine ganz persönliche Meinung hinzu: »Das Problem sind doch meistens die Frauen, die den rauen Umgang nicht gewöhnt sind und jedes Wort auf die Goldwaage legen.«