Neulich wurde eine Bekannte vom Personalchef eines mittelständischen Unternehmens beim Bewerbungsgespräch gefragt, warum sie denn ihren Freund nicht heiraten würde? Wenn er ihr schon so wichtig sei, dass sie ihn in ihrem Lebenslauf erwähne. Ähnlich verständnislos reagierte vor ein paar Jahren ein Sachbearbeiter des BAföG-Amts, der zu einem meiner Kinder sagte: „Warum schreibt Ihre Mutter, sie lebe in einer Partnerschaft? Das interessiert doch nicht.“ Und unvergessen bleibt die Frau vom Einwohnermeldeamt, die nach unserem Umzug in den Odenwald die Liebste und mich wegen desselben Nachnamens erst für Schwestern und dann für Mutter und Tochter hielt.
Auch dreizehn Jahre nach Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes ist die Gleichstellung mit der Hetenehe noch in weiter Ferne. Formal erreichen wir zwar Schrittchen für Schrittchen, von Gerichtsurteil zu Gerichtsurteil eine Annäherung, doch der Begriff „Eingetragene Lebenspartnerschaft“ sorgt nach wie vor für die Unterscheidung zur „richtigen“ Ehe, für Diskriminierung, für Frust und für Zwangsouting. Ganz aktuell geht es um die Meldedaten, die in der katholischen Kirche für verpartnerte Lesben und Schwule zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen führen könnten … für den Fall, dass die betroffenen Mitarbeiter_innen vorher gelogen und sich als ledig anstatt als „in einer Eingetr. Lebenspartnerschaft lebend“ ausgegeben haben.
Überall dort, wo der Familienstand eine Rolle spielt, müssen die Liebste und ich uns zwangsouten. Normalerweise ist uns das egal, schließlich leben wir nicht nur offen, sondern ich schreibe darüber auch noch hin und wieder. Dennoch kann ich mir Situationen vorstellen, wo ich wildfremden Menschen nicht gleich meine sexuelle Identität auf die Nase binden will, durch den Familienstand „Eingetr. Lebenspartnerschaft“ aber dazu gezwungen werde.
Als in den Jahren 1999/2000 über das Lebenspartnerschaftsgesetz verhandelt wurde, war dem erzkonservativ-christlichen Lager, der Heten-Lobby, die Unterscheidung äußerst wichtig, wenn sich das Gesetz schon nicht verhindern ließ. Heterosexuelle sollten nicht Gefahr laufen beim Familienstand „verheiratet“ irrtümlich für schwul oder lesbisch gehalten zu werden. Das eine war was Ernsthaftes, was Richtiges, das andere ein kosmetisches Pflaster, damit die Homosexuellen endlich aufhörten, der Öffentlichkeit mit ihrem Geschrei nach Gleichberechtigung auf die Nerven zu gehen.
Wenn wir uns heute die Verwirrung und Berichterstattung um Ehe, Homoehe, Partnerschaft, Lebenspartnerschaft und Eingetragene Lebenspartnerschaft ansehen, ist diese Strategie auch aufgegangen. Einerseits können viele Außenstehende mit den verschiedenen Begriffen nichts anfangen und verwechseln sie ständig, anderseits wird häufig geglaubt, die „Homoehe“ sei dasselbe wie die „Ehe“ und verpartnerte Lesben und Schwule hätten die gleichen Pflichten und Rechte wie heterosexuelle Ehepaare – was in Wahrheit noch immer nur auf die finanziellen Verpflichtungen zutrifft.
Der Nebeneffekt des Zwangsoutings spielte damals noch keine große Rolle, dessen „Vorteile“ zeigten sich erst im Laufe der Zeit. Nicht nur in unserem Umfeld, sondern überall in Deutschland gibt es homosexuelle Paare, die bereits seit sehr vielen Jahren zusammenleben, also eine Lebenspartnerschaft führen und gerne heiraten würden. Doch der Begriff Eingetr. Lebenspartnerschaft und das damit verbundene Zwangsouting schreckt ab, weil man z. B. Nachteile im Job befürchtet. Also haben sie ihr Zusammenleben für viel Geld mit Verträgen bei Notar_innen geregelt und kreuzen beim Familienstand weiter ledig an.
[Anmerkung: Allerdings bewahrt auch die Eingetr. Lebenspartnerschaft uns nicht immer davor, gewisse Dinge zusätzlich noch notariell regeln oder uns juristischen Beistand suchen zu müssen, siehe Amtliche Lebenspartnerschaft alias Homoehe von 2010]
Vor Kurzem schrieb mir über fb eine Lesbe aus einem der Nachbardörfer, sie sei hier in der Region noch nie diskriminiert worden, habe nur gute Erfahrungen gemacht und außerdem müsse frau ja nicht immer ein Schild „lesbisch“ vor sich hertragen. Eine Antwort darauf habe ich mir verkniffen. Sie hätte ungefähr so gelautet: Warum sollte sie diskriminiert werden, wenn sie für eine Hete gehalten wird? Meines Wissens erfahren Schranklesben Diskriminierung nur äußerst selten am eigenen Leib. Und das Schild lesbisch trage ich manchmal nicht freiwillig vor mir her, sondern wird von meinem Familienstand getragen.