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7 Millionen Adressen und 3000 followers

Von der Diskussion bei Illner um die Gefahren und Vorteile des Internets haben wir nur den Anfang mitbekommen. Bereits nach fünf Minuten stöhnten wir wie Homer Simpson: »Langweilig!«

Einzig die Aussage von Schirrmacher, an den persönlichen Empfehlungen bei den Onlinebuchhändlern könne man bereits jetzt sehen, wie Profile von Internetnutzer_innen erstellt werden, machte die Liebste etwas nachdenklich.

»Wenn ich daran denke, welcher Mist uns vorgeschlagen wird, sollte man vor diesen Profilen wirklich Angst bekommen.«

Ich habe eben mal bei meinem Amazonkonto nachgesehen. Bei den hundert Dingen, die mich angeblich interessieren könnten, gibt es ganze drei Bücher, die ich vielleicht bei Gelegenheit auch mal lesen werde. Ungefähr zwanzig Weitere und eine DVD fallen mit etwas gutem Willen zwar in mein Interessengebiet, sind aber zurzeit nicht aktuell. Mit dem ganzen Rest kann ich nichts anfangen. Manches davon hat mich verblüfft, anderes regelrecht fassungslos gemacht. Und wenn ich nicht wüsste, dass Amazoncomputer nur selten vernünftige Antworten von sich geben, würde ich vielleicht sogar mal nachfragen, was man sich eigentlich bei diesen Empfehlungen gedacht hat.

Seit Wochen überlege ich nun schon, was ich mit dem Angebot eines Herrn namens Alexander Appelt anfangen soll. Per Mail schrieb er mir:

»Wir verkaufen rund 7 Millionen deutsche Email-Adressen aus Deutschland und der Schweiz 100 % alle gültig (keine Rückläufer). Die Email-Adressen setzen sich wie folgt zusammen:

Rund 2,5 Millionen @t-online.de Emails
Rund 1,9 Millionen @web.de Emails
Rund 600`000 @bluewin.ch Emails
Rund 500`000 @freenet.de Emails
Rund 400`000 @gmx.de Emails
Rund 400`000 @hotmail.com Emails
Dazu noch rund 700.000 Emails von anderen deutschen Email-Providern (mixed)«

Anschließend zählt er noch verschiedene Kategorien auf, in die die Adressen unterteilt sind und betont zum Schluss: »Die Empfänger haben der Zusendung von Emails durch Dritte zugestimmt daher erwerben Sie die Emails völlig legal. Sie erhalten zu jeder Email auch den Vornamen, Nachnamen, Adresse, Geschlecht, Telefonnummer …«

»Wie Sie in 30 Tagen 3000 Followers erhalten«, heißt es in einer anderen Mail und beweist mir wieder mal, dass ich das Prinzip von twitter einfach nicht richtig zu verstehen scheine. Statt mich um mehr Verfolger_innen zu kümmern, bin ich ein- bis zweimal die Woche damit beschäftigt, followers zu blocken.

Ich habe kein Interesse daran, wenn »Nicole, 18 Jahre und geil« oder ein Werbefachmann für i-, e-, a-, o … oder wie auch immer diese Pads heißen, mir folgen wollen. Anfangs dachte ich noch: »Was soll’s? Die werden schon irgendwann merken, dass sie bei mir falsch sind, und sich ganz schnell wieder vom Acker machen.«

Doch leider passierte das nicht und dann begann eine Freundin, ebenfalls zu twittern. Unbedarft in Umgang mit Netzwerken, orientierte sie sich an meinem Account, verwechselte »following« mit »followers« und reagierte höchst empört, als eine Cora aus dem Big Brother Haus fragte: »Willst du mich ficken?«

»Ich habe den twitteraccount wieder gelöscht«, teilte sie mir in einer Mail mit. »Es ist wirklich unverständlich, was Du an diesem Quatsch findest.«

Auch nachdem ich sie über ihren Irrtum aufgeklärt hatte, machte sie ihren Entschluss nicht rückgängig. »Wahrscheinlich bin ich bereits zu alt für so was«, meinte sie. »Ich brauche mittlerweile ja schon manchmal ein Fremdwörterbuch, wenn ich abends die TAZ aufschlage.«

Bei meiner Allgemeinbildung benötige ich zum Lesen der TAZ selbstverständlich kein Fremdwörterbuch. Als Abonnentinnen der Digi-TAZ lesen wir dieses Blatt am Bildschirm und können dann gleich bei Wikipedia nachschlagen, wenn von »Wikileaks«, »geeks« und ähnlich merkwürdigen Dingen die Rede ist.

Vorausgesetzt natürlich, wir haben überhaupt daran gedacht, die Zeitung herunterzuladen. Was meist nur dann geschieht, wenn uns ein Thema ganz besonders interessiert. Allerdings war das früher, als wir noch die Printausgabe abonniert hatten, kaum anders gewesen. Häufig landete die Zeitung beinah direkt vom Briefkasten im Papierabfall – nur Tom haben wir regelmäßig gelesen. Das traue ich mich aber erst laut zu sagen, seit ich Volker Pipers mal fragen hörte: »Wer liest die TAZ? Ich meine: wirklich lesen, nicht nur abonnieren.«

Nächste Woche werden wir die TAZ wohl mal wieder richtig lesen, um uns ausführlich über die re:publica zu informieren. »Was ist denn das schon wieder?« wollte die Liebste gestern wissen, als ich sie auf eine Veranstaltung aufmerksam machte, und meckerte anschließend: »Immer sind solche Sachen in Berlin.«

Manches von der re:publica werden wir sicher via twitter verfolgen. Dieses Gezwitschere, das ich anfangs für eine amüsante Spielerei hielt, hat meinen Horizont erweitert. Beinah täglich erfahre ich von Ereignissen, Menschen oder Büchern, die mich vor twitter sicher nicht oder erst mit großer Zeitverzögerung erreicht hätten. An manchen Tagen ergeht es mir damit jedoch wie mit der TAZ: Ich fühle mich von den vielen Informationen überfordert und schalte ganz ab.

 

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