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Der Bergdoktor oder wie die Liebste hinter das Geheimnis von Alice Weidel kam

Es hatte mit der kaum erträglichen Hitze des letzten Sommers zu tun, dass wir überhaupt auf diese Serie gestoßen sind. Wir lagen nackt, schwitzend und stöhnend auf dem Bett. Bei fast jeder anderen Wetterlage hätte das eine sehr interessante Situation sein können. In dieser tropischen Nacht, der Dritten oder Vierten hintereinander, gab es allerdings kaum etwas, das uns noch weniger als Sex interessiert hätte. Vom Fernsehprogramm erhofften wir uns ein wenig Ablenkung.

Normalerweise hätte allein schon der Titel »Bergdoktor« ausgereicht, um innerhalb von Sekunden entweder weiterzuzappen oder den Fernseher ganz auszuschalten. Doch bei einer ungeschickten Bewegung war das Smartphone aus meiner verschwitzten Hand gerutscht und unter dem Bett gelandet. Keine von uns beiden sah sich in der Lage, aufzustehen und ihm hinterher zu krabbeln.

Also ließen wir der Autoplay Funktion ihren freien Lauf und sahen uns an, was Dailymotion anbot: Eine Folge aus der 8. Staffel mit wunderschöner Landschaft, zwei Bauernhöfen, einem todkranken Jugendlichen sowie dessen taffer Mama. Eine genervte Tochter, ein Beziehungsdrama wegen eines besoffenen Schwiegervaters und viel medizinisches Kauderwelsch rundeten die Geschichte ab. Der Hauptdarsteller war uns fremd, aber wir entdeckten Nebendarsteller_innen, die wir aus anderen Serien kannten und mochten.

Auch wenn wir es vorher nie für möglich gehalten hätten, wir hatten richtig Spaß und heulten gegen Ende tatsächlich Rotz und Wasser. Einmal auf den Geschmack gebracht, kauften wir deshalb nach und nach sämtliche Staffeln und sahen uns viele Abende hintereinander alle Folgen an. Bingen nennt sich das wohl auf neudeutsch.

Nebenbei lernten wir noch einiges über unsere eigenen Vorurteile. Die ersten Staffeln mit den 45 Minuten Folgen kamen noch dem ziemlich nah, was wir mit Heimatfilm assoziierten. Allerdings zeigen grobe Schnittfehler und inhaltliche Absurditäten auch, dass man bei ZDF und ORF der Serie zuerst wenig Beachtung schenkte. Beispielsweise war die Tochter – Ausgangspunkt der ganzen Geschichte – zu Beginn elf Jahre alt … und sollte zehn Jahre zuvor gezeugt worden sein.

Je besser die Quoten wurden, desto mehr scheint man sich bei den Sendern Mühe gegeben zu haben. Aus 45 Minuten wurden 90 je Folge, der Kitsch weniger und die Plots realistischer. Mittlerweile sind Umweltschutz, miserable Milchpreise und Bio-Bauernhöfe genauso angekommen wie Lesben und Schwule, Transsexuelle, starke Frauen und politische Themen wie z.B. Abschiebungen.

Seit Anfang des Jahres wird nun die 12. Staffel des »Bergdoktors« ausgestrahlt. Am bewährten Konzept hat sich nichts geändert: exotische Krankheiten, privates Chaos, Landwirtschaft und Landschaft. Sehr viel Landschaft, immer wieder, so oder wenigstens so ähnlich stelle ich mir auch Werbevideos eines Tourismusverbandes vor.

Trotz der gewohnt hohen Einschaltzahlen scheint die Folge »Die Andere« vom 17. Januar allerdings nicht gut angekommen zu sein. Selbst an Bergdoktor Maßstäben gemessen kam sie den Fans zu sehr an den Haaren herbeigezogen vor: Nach einer Krankheit entwickelt eine Frau eine zweite Persönlichkeit. Aber nur eine der beiden ist herzkrank, die andere hingegen gesund.

Das klingt zunächst tatsächlich einfach nur bekloppt. Und wenn ich mich nicht vor Jahren einmal intensiv mit dissoziativen Identitätsstörungen beschäftigt hätte, wäre ich wahrscheinlich mit diesen Fans ganz einer Meinung gewesen. Wobei die Liebste und ich nur die verhältnismässig wenigen Twitter Kommentare gelesen haben. Eine richtig große Fangemeinde soll es auf Facebook geben, einen Ort, den wir schon lange nicht mehr betreten.

Auf Twitter jedenfalls schimpfte man nicht nur über das angeblich erfundene Krankheitsbild, sondern verglich die Schauspielerin mit Alice Weidel. Na ja, von alleine wäre ich wahrscheinlich nicht auf die Idee gekommen, aber es gab tatsächlich eine gewisse Ähnlichkeit. Auch die Liebste fand das und nach eine Weile des Schweigens platzte plötzlich aus ihr heraus: »Das ist es! Die Erklärung! Wie oft haben wir uns schon den Kopf darüber zerbrochen, weshalb ausgerechnet eine Lesbe sich in der AfD engagiert? Und zu allem Überfluss noch eine, deren Partnerin aus Sri Lanka stammt?«

Bitte sehr, diese Frage wäre nun beantwortet. Ultimativ. Es gibt zwei Alice Weidels. Die Lesbe mit Partnerin und Kindern. Und die AfD Politikerin. Sie wohnen zwar in einem Kopf, wie es ein Mädchen beim Bergdoktor ausdrückte, wissen aber nichts von einander. Da bleibt wirklich nur eins: Dr. Gruber übernehmen Sie!

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