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Frauen und Lesben und Heten. Ein Listenproblem mit der Sichtbarkeit.

„Ich habe Dich im Morgenradio gehört. Was für ein Rumgejammere. Typisch Frau! Ihr Lesben taucht doch jeden Tag in den Zeitungen auf!“ Das ist eine knappe Zusammenfassung von drei Mails, die gestern bei mir ankamen. Bereinigt von Schimpfwörtern, Fäkaliensprache und Rechtschreibfehlern.

Bei der Ersten und Zweiten glaubte ich noch eine Verwechslung oder eine mir bisher unbekannte und unverständliche Variante der Trollerei. Ich bin zwar vergesslich, aber an ein Gespräch, das ich am Morgen in einem Radio geführt haben soll, würde mich mittags trotzdem noch erinnern. Hoffe ich wenigstens.

Erst nach der dritten Mail googelte ich nach Morgenradio und fand schließlich bei Radio Dreyeckland das Interview, das Franziska mit mir auf dem Lady*fest Heidelberg geführt hat. Mir war nicht klar gewesen, dass die Freien Radios ihre Beiträge untereinander austauschen. Gegen eine größere Reichweite gibt es auch überhaupt nichts einzuwenden, es hätte mir nur etwas Grübelei gespart, wenn ich von dem Sendetermin gewusst hätte.

„Typisch Frau! Ihr Lesben …“

Wenigstens scheinen die Schreiblinge keinen Zweifel daran zu haben, dass Lesben Frauen sind. Spätestens seit der Einführung der Frauen-und-Lesben-Referate an den Unis, das muss Ende der 70er, Anfang der 80er gewesen sein, taucht diese Frage immer wieder mal auf. Was ursprünglich der lesbischen Sichtbarkeit dienen sollte, nervt heutzutage viele Lesben. Manche fühlen sich regelrecht verarscht und haben das Gefühl, ihr Frausein werde wegen ihrer lesbischen Identität in Zweifel gezogen.

„Die befreite politische Lesbierin ist nach üblichem Maßstab natürlich keine Frau mehr“, schrieb einst Jill Johnston. Daran musste ich gestern denken, als eine weitere Mail ankam. Unter der Überschrift „Frauen und Medien“ hat der Journalistinnenbund „Die wichtigsten Seiten im Netz“ von A-Z mit Kurzbeschreibungen zusammengestellt. „Lesben“ tauchen dabei nur einmal auf: WeiberZeit – Zeitschrift des Bundesnetzwerks von Frauen, Lesben und Mädchen mit Beeinträchtigung.

Ansonsten scheinen Seiten im Netz, die nicht für „FrauenLesben“, sondern hauptsächlich für Lesben gedacht sind, anscheinend nicht wichtig genug für eine Erwähnung zu sein. Weder Konnys Lesbenseiten noch phenomenelle noch weird Bielefeld noch die Karnele noch … werden dort aufgeführt.

Durch LesBlog weiß ich natürlich, wie schwierig und zeitaufwendig es ist, solche Listen zu erstellen. Und auch beim Journalistinnenbund findet sich eingangs ein ähnlicher Hinweis wie bei LesBlog: „Unsere Sammlung ist jederzeit erweiter- und veränderbar, wir erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Hinweise und Link-Tipps gern an uns unter geschaeftsstelle@journalistinnen.de.

Einerseits habe ich also großes Verständnis für diese unvollständige Liste, andererseits halte ich das durchgängige Fehlen von „lesbischen“ Seiten für ??? Wie drücke ich das jetzt am besten aus? Symptomatisch für die Unsichtbarkeit von Lesben? Nicht nur allgemein in den Medien, sondern auffällig oft auch in reinen Frauenzusammenhängen?

Vor ein paar Tagen bekam ich von Cision eine Mitteilung, dass man mich ihre Journalistendatenbank aufgenommen hätte. Wieder einmal hatte ich keine Ahnung, wer mir da schreibt und was das soll. Im Kleingedruckten suchte ich nach einer Rechnung für diese unerwünschte Dienstleistung und formulierte im Geist bereits einen Widerspruch. (Um möglichen Missverständnissen vorzubeugen: Es gibt keine Rechnung.)

Zu meiner Überraschung entpuppte sich Cision als ein seriöses Unternehmen, wenigstens so weit man im Zusammenhang mit Datenbanken und Marketing von Seriosität reden kann. Es war kein Trick, um naiven Blogger_innen Geld aus der Tasche zu ziehen, sondern man hatte das deutschsprachige Angebot einfach nur um LGBT Ranking – Top 10 Blogs in Deutschland erweitert. Ein Ranking der Top #LGBT-Magazine soll demnächst erscheinen.

Seit meinem nicht ganz ernst gemeinten Experiment „Wie wird mein Blog berühmt?“ vor ein paar Jahren, weiß ich natürlich, wie wenig Bedeutung solche Rankings haben, wie lächerlich sie teilweise sogar sind. Es liegt an der zufälligen Zeitgleichheit, dass ich jetzt das Cision Ranking mit der Liste des Journalistinnenbunds in Verbindung bringe. Bei den „Die wichtigsten Seiten im Netz“ für Frauen taucht keiner der lesbischen Blogs aus dem Ranking auf.

Konny von lesben.org hat sich gestern die Mühe gemacht und versucht, wenigstens einige von uns Lesben auf diese Liste zu bringen. Vergeblich.

Und jetzt?

Nachtrag

Da es eben auf Twitter zu einem kleinen Schlagabtausch gekommen ist, zwei Anmerkungen:

1. Die „falsche“ Mailadresse ist zwar nur Nebenkriegsschauplatz, scheint dennoch wichtig zu sein. Leider habe ich keinen Screenshot davon gemacht, das schien mir in dem Falle einfach nicht nötig zu sein. Als ich gestern Nachmittag Konnys Info von der „Rücksendung“ bekam, war mein erster Gedanke auch gewesen: vielleicht eine falsche Mailadresse? Fehler machen wir schließlich alle mal und Buchstabendreher schleichen sich schnell ein. Wenigstens bei mir, bei Konny konnte ich mir das kaum vorstellen, schließlich ist sie eine EDV-Frau und zudem Spezialistin für Öffentlichkeitsarbeit, sprich sie verbringt seit Jahren einen Großteil ihrer Zeit damit, Mails zu schreiben. Trotzdem habe ich die Mailadresse, die sie verwendet hatte, überprüft und sie war identisch mit der, die zu diesem Zeitpunkt auf der Seite angegeben war.

2. Gedankenspiele zum besseren Verständnis: Die Männerzeitung XYZ veröffentlicht eine Liste „Männer und Medien. Die wichtigsten Seiten im Netz“ und es befindet sich keine Seite für Schwule darunter. Oder der LSVD veröffentlicht eine Liste: „LGBT und Medien. Die wichtigsten Seiten im Netz“ und es befindet sich keine Seite für Trans* darunter. Wie wohl die Reaktionen von Schwulen bzw. Trans* und den Allies wären?

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