Auf der Seite kreuz.dingenskirchen ist mal wieder das passiert, was dort bereits seit Jahren üblich ist: Eine Hasstirade wurde veröffentlicht, dieses Mal in Form eines besonders widerlichen »Nachrufs« auf Dirk Bach. Und weil es sich bei ihm um einen Promi handelte, der auch bei Heteros große Beliebtheit genoss – ja, wie ich auf Twitter lesen konnte, hatten so manche noch nicht einmal gewusst, dass er nicht nur Moderator des Dschungelcamps, sondern auch LGBTI-Aktivist gewesen war –, wird kreuz.dingenskirchen nun eine Aufmerksamkeit zuteil wie noch nie zuvor.
Während bisher die menschenverachtenden Beiträge zur Homosexualität, Migranten, Schwangerschaftsabbrüchen und … und … und … nur LGBTI people & friends und andere Betroffene empört haben, zieht der »Artikel« über Dirk Bach weite Kreise. Dank zahlreicher Verlinkungen auf Twitter und Facebook hat die Seite in den letzen 24 Stunden sicher mehr Zugriffe erhalten als sonst in einem ganzen Jahr. Gerade im Moment baden die Macher_innen wahrscheinlich in Champagner und genießen ihren »Erfolg«.
Strafanzeige solle man erstatten, hieß es in einigen Tweets und tatsächlich scheinen viele Menschen auch dieser Aufforderung gefolgt zu sein. Mehrere neue Facebookseiten wurden zum Thema erstellt, außerdem gibt es inzwischen sogar eine Onlinepetition, um kreuz.dingenskirchen den Garaus zu machen. Kurzum, es geht rund in den sozialen Netzwerken, wenn ich mich nicht irre, nennt sich solches Verhalten wohl neudeutsch Hype.
Dabei reicht allein schon ein Blick in den Wikipedia Eintrag, um zu erkennen, dass dieser Aktionismus für die Katz ist. Es hagelt schon seit Jahren Strafanzeigen wegen diverser Beschimpfungen, Verunglimpfungen, Hetzreden auf dieser Seite, u.a. stammt eine davon von mir. Weil kreuz.dingenskirchen nicht von Deutschland aus betrieben wird, kann man die Verantwortlichen hier nicht zur Rechenschaft ziehen. So einfach ist das. Leider. Selbst der Verfassungsschutz soll sich angeblich bereits damit beschäftigt haben, nun gut, dass man in dieser Hinsicht von dem nichts erwarten kann, dürfte seit NSU hinlänglich bekannt sein. Aber immerhin wird ein Problem wenigstens theoretisch wahrgenommen und ist irgendwie »in Arbeit« – und zwar ganz ohne die momentane Aufregung.
Mein Versuch, anfangs auf twitter wenigstens den direkten Verlinkungen zu der Seite etwas entgegenzusetzen, war gestern nicht gerade erfolgreich gewesen. Der watchblog zu kreuz.dingenskirchen, den ich als Alternative vorgeschlagen hatte, wurde als ebenso polemisch angesehen wie die Seite selbst. Was bis zu einem gewissen Grad sogar stimmt, besonders sympathisch ist mir der Umgangston dort auch nicht. Plötzlich befand ich mich in Diskussionen mit Heteros, die mir, der Lesbe, erklärten, so dürfe man aber nun auch nicht reagieren. Zwar erzeuge Hass nun mal Hass, aber … Was aber genau bedeuten sollte, keine Ahnung, kurz davor auszuflippen, habe ich diese Leute lieber mal vorübergehend aus meiner TL rausgefiltert.
Die katholische Bischofskonferenz hat eine Erklärung herausgegeben und sich – nicht zum ersten Mal – von der Seite distanziert. Mit der katholischen Kirche hätte die nichts zu tun, wird beteuert und dabei die Verbindung zu den Piusbrüdern frech ausgeblendet. Andere offizielle Katholik_innen äußern ebenfalls ihr Bedauern, um gleich im Anschluss über die »Homoehe« im Allgemeinen zu reden. Den Zusammenhang zwischen zum Beispiel den jüngsten Äußerungen von Kardinal Marx und den Hasstiraden auf der Seite wollen sie nicht erkennen, womit wir zum xten Mal bei Biedermann und den Brandstiftern wären. Herr Wagner von der Bildzeitung lässt grüßen.
Es wird immer Menschen geben, die sich an solchen Widerlichkeiten wie aktuell über Dirk Bach ergötzen, ebenso wie sich wahrscheinlich auch nie der Antisemitismus wird ganz ausrotten lassen oder … und … oder … Nein, ich werde keine Strafanzeige mehr gegen kreuz.dingenskirchen erstatten, auch keine Onlinepetition unterschreiben oder bei den entsprechenden Facebookseiten auf »gefällt mir« klicken. Das ist Beschäftigungstherapie, Zeitverschwendung. Manchen Heteros mag es zur Beruhigung ihres Gewissens dienen, seht her, wie solidarisch ich bin. Als Lesbe habe ich Wichtigeres zu tun: nämlich immer wieder aufzuzeigen, wo die eigentlichen Ursachen liegen und darum zu bitten, bei Äußerungen von Biedermännern und –frauen aktiv zu werden, sich aufzuregen und zu widersprechen.