Ich habe mich lange zurückgehalten, wenn es um Kristina Schröder ging. Leicht ist mir das nicht gefallen, denn bereits vor ihrem Buch gehörten Witze und/oder böse Bemerkungen über zu sie zum Alltag. Selten ist man sich in meinem Umfeld bei einer Politikerin/einem Politiker so einig gewesen. Ob Nachbarn, Freundinnen, Verwandte, sie alle halten die Ministerin für eine katastrophale Fehlbesetzung. Und bestimmt nicht, weil sie keine Feministin sein will.
Nein, da geht es zum Beispiel um dieses komische Projekt der Pflegezeit, das als nichts Halbes und nichts Ganzes bezeichnet und nur für Ausnahmefälle als hilfreich angesehen wird. »Soll ich nach Ablauf der Zeit meine Mutter vielleicht erwürgen, wenn sie bis dahin nicht freiwillig gestorben ist?«, fragte eine Bekannte und beschloss, dann doch lieber gleich Nägel mit Köpfen zu machen und nach einem Platz in einem Altenheim zu suchen.
Ein Freund, der im Osten aufgewachsen ist, ärgert sich nicht über die Pflegezeit, sondern über die »Entweihung« des Internationalen Frauentages in diesem Jahr. Man könne zwar darüber streiten, ob das nun ein sozialistischer Muttertag gewesen war oder nicht, meinte er. Aber ausgerechnet am 8. März zwei Väter zu ehren, sei doch sehr daneben gewesen. Sie habe quasi auf seinen Kindheitserinnerungen herumgetrampelt. (Über seine Ansicht, der »Vatertag« wäre dafür wesentlich geeigneter gewesen, und den Umgang mit christlichen Feiertagen blogge ich ein anderes Mal).
Selbst der 81jährige Unternehmensberater, der die Quote aus rein organisatorischen Gründen für nicht durchsetzbar hält, kann über die Ansichten von Kristina Schröder nur den Kopf schütteln. »Ich glaube, die hat noch nie einen Betrieb von innen gesehen.«
Das Buch von Kristina Schröder hat mich zunächst nicht mal interessiert. Himmel, soll sie doch schreiben, was sie will. Wenn sie dafür Käufer_innen findet, hatte sie halt das richtige Gespür und die entsprechende Marketingstrategie. Erweist sich das Buch als Flop, auch nicht schlimm, auf einen Ladenhüter mehr oder weniger kommt es wirklich nicht an. Die Verabredungen auf Twitter, gemeinsam zu ihrer Lesung zu gehen, fand ich amüsant und bedauerte nur wieder mal, so weit weg zu wohnen.
Doch dann hörte ich sie in dem NDR Interview. Sie habe gleich mal das BKA über die Tweets informiert, erklärte sie und klang dabei so munter aufgedreht wie eine Fünfjährige, die ihre Geschwister verpetzt. Nun bin ich nicht naiv und gehe davon aus, dass unsere Sicherheitsbehörden schon ganz automatisch bei Twitter und Co mitlesen. Und außerdem ich finde es sehr wichtig, dass Politiker_innen geschützt werden. Spätestens seit der Ermordung der schwedischen Außenministerin Anna Lindh halte ich nichts mehr davon, wenn sich solche Menschen wie allen anderen »ganz normal« in der Öffentlichkeit bewegen.
Hier sind zwei Dinge gleichzeitig passiert: Zum einen scheint die Ministerin ihr eigenes Sicherheitspersonal für eine Horde Dilettanten zu halten. Warum sonst musste sie noch mal ausdrücklich auf eine mögliche Gefährdung aufmerksam machen? Zum anderen war es wirklich das Verhalten eines kleinen Kindes: »Guckt mal, wie böse die Feministinnen sind. Mama, Papa, die wollen mich verhauen …«
[Randbemerkung: »Wenn dir einer schreibt: ‚Tabler du wirst gekillt‘, ist das lächerliche geschmacklose Prosa«, erboste sich die Liebste.«Wenn sich Frauen zu einer Lesung verabreden, wird das BKA informiert.« Jetzt bedauerte sie ebenfalls, nicht dabei gewesen zu sein.]
Auf Twitter wurden Kristina Schröders Ansichten mit denen von Eva Herman verglichen. Ich konnte nicht anders, ich musste protestieren, denn der Vergleich hinkt. Die eine, nämlich Eva H., hat beschissene politische Ansichten. Keine Ahnung, ob sie die schon immer hatte oder die sich erst mit ihren wohl sehr negativen Erfahrungen bei dem Versuch, Männer, Kind und Karriere unter einen Hut zu bringen, entwickelten. Sie jedenfalls will, dass Mütter wenigstens in den ersten Jahren zuhause bei den Kindern bleiben.
Die andere, Kristina S., will das nicht, sondern besteht auf Wahlfreiheit. Jetzt bin ich mal nicht feministisch, sondern bashe, wie das neudeutsch heißt, eine andere Frau und sage offen, was ich denke:
Diese Frau ist nichts anderes als eine verzogene Göre, die vom Leben außerhalb ihres geschützten Raums keine Ahnung hat. Die nicht nur ‚noch keinen Betrieb von innen gesehen hat‘, sondern tatsächlich ihren privilegierten Lebenslauf als normal und auf alle anderen Frauen übertragbar ansieht. Der es anscheinend am Arsch vorgeht, dass in diesem Land immer noch die meisten alten Menschen von Töchtern und Schwiegertöchtern gepflegt werden. Dass schlecht ausgebildete und/oder mies bezahlte Frauen ebenso wenig eine Wahlfreiheit bei ihrem Familien- und Berufsleben haben, wie alleinerziehende Mütter und Väter, die z. B. Schicht arbeiten sollen, müssen und keinen entsprechenden Kitaplatz finden oder teilzeitbeschäftigte Frauen, deren Rente später nicht mal den Luxus einer Tafel Billigschokolade erlauben wird. Sie scheint weder die Problematik des fehlenden öffentlichen Nahverkehrs auf Lande zu kennen (Schule, Sportverein, Musikunterricht nur möglich, wenn Mama den Fahrdienst übernimmt) noch sich je intensiv mit Frauen in einem Frauenhaus unterhalten zu haben. Denn obwohl letzteres Ländersache ist, erwarte ich auch von einer Bundesministerin für Familie und Frauen, dass sie etwas gegen die Schließungen dieser Häuser unternimmt.
Deshalb ist meine Forderung: Weg mit dieser Ministerin! Zur Not lieber eine, die mir vielleicht politisch nicht in den Kram passt, aber wenigstens Ahnung von den Lebensumständen anderer Frauen und Familien hat!