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Beruf: heute Gynäkologe, früher Sauschneider

In der Fernsehwerbung werden Frauen ähnlich nässenden Kleinkindern dargestellt, schrieb sinngemäß schon vor vielen Jahren eine Sprachwissenschaftlerin¹. Dabei wurden die Inkontinenzhilfen damals noch gar nicht beworben. Die Wissenschaftlerin meinte die Werbung für Tampons, Binden und Slipeinlagen.

Viel scheint sich seitdem nicht geändert zu haben. Noch immer nässen Frauen ein und brauchen während der Menstruation Binden und Tampons in vielen verschiedenen Größen. In den Tagen zwischen den Tagen sind Slipeinlagen angesagt.

Der Unterleib der Frau scheint eine ewig sprudelnde Quelle zu sein und bedarf der Abdichtung. Männer haben dieses Problem wohl nicht. Ihr Unterleib bzw. das gewisse Teil daran ist so dicht wie eine Regenabdeckplane für Gartenmöbel.

Okay, dass sie nicht menstruieren, ist ja allseits bekannt. Aber sie sind auch nicht inkontinent. Es gibt für sie anscheinend weder Slipeinlagen noch Inkontinenzhilfen will uns wenigstens die Fernsehwerbung weismachen. Ganz egal, ob etwas gebraucht wird oder nicht: Was verkauft werden könnte, wird beworben. Das ist doch eigentlich die Goldene Regel der Werbewirtschaft.

Inkontinzartikel für Männer werden nicht beworben also könnten sie auch nicht verkauft werden also werden sie auch nicht gebraucht, schließt der logisch denkende Mensch im Umkehrschluss daraus. Merkwürdig ist nur, wenn ich die Kataloge mit den Pflegeartikeln für unsere Oma durchsehe, dann entdecke ich eben diese Dinge auch für Männer. Ist wohl nix mit der Dichtheit der Regenabdeckplane? Auch Männer laufen aus oder nässen ein oder wie immer das genannt werden soll.

Doch ganz im Gegensatz zu ihren sonstigen Gepflogenheiten legen die Werbewirtschaft und ihre Auftraggeber bei Männern größte Diskretion an den Tag und nehmen Rücksicht auf deren Gefühle. Kein durchtrainierter Grauhaariger muss sich vor den Augen des Fernsehpublikums mit einer Pampers für Erwachsene in eine enge Jeans quetschen und so tun, als zeichne sich das nicht ab. Eine durchtrainierte grauhaarige Frau muss das schon. Will sie tanzen gehen, zieht sie vorher zur Sicherheit die Tena Pants unter das enge Kleid.

Als sie noch vierzig Jahre jünger war, war sie schon mal tanzen gewesen mit einer Slipeinlage, die zwickte! Peinlich, peinlich, aber dank der Firma »Dichtet die Frau ab« passierte ihr das nie mehr. Selbst für den schwarzen Stringtanga gibt es inzwischen die entsprechend geformte schwarze Slipeinlage.

Während der Menstruation braucht die Frau nicht nur Tampons und Binden. Sie braucht auch Medikamente, denn sie ist krank. Bezweifelt das etwa eine?

Ich weiß das sicher, denn ich gucke Werbung im Fernsehen. In diesen speziellen Tagen hat die Frau Migräne, Rückenschmerzen und verspürt Übelkeit. Aber auch hier weiß die Industrie Rat. Mindestens hundert verschiedene Mittelchen in Tropfen und Tablettenform gibt es, um sie wieder einsatzfähig machen.

Vor der Menstruation geht es der Frau auch schlecht, wirklich ganz besonders schlecht. Da hat sie üble Laune und spinnt herum. PMS wird das genannt. Auch hierfür gibt es Arznei. Jetzt fehlt eigentlich nur noch das Medikament für die Zeit nach der Menstruation bis zum PMS. Aber keine Sorgen, Ihr lieben Frauen, auch das wird wohl bald beworben werden.

Ebenso wie die Abdichtung des Unterleibs für das Mädchenalter, für jene Spanne nach den Pampers bis zu den Binden. Da scheint etwas zu fehlen, hat das die Industrie denn noch nicht gemerkt? Oder bin ich nicht auf dem Laufenden?

Die beiden Steppkes vor mir im Bus reichen mir gerade mal über den Bauchnabel. Sie ereifern sich über die Ungerechtigkeiten einer Lehrerin. »Wahrscheinlich hat sie ihre Periode, die blöde Kuh!« trompetet der eine und der andere fällt vor Lachen beinah um.

Kein Wunder, dass sie so gut Bescheid wissen. Sie gucken ja ebenfalls Werbung.

Wäre ihre Lehrerin einige Jährchen älter gewesen, dann hätten sie sicher auch den passenden Spruch parat gehabt. »Wahrscheinlich ist sie in den Wechseljahren, die blöde Kuh!«

Ebenfalls eine Krankheit, die eine Frau überfällt. Kurz bevor sie inkontinent wird, kommt sie in die Wechseljahre. Sie wird dann gleich über mehrere Jahre hinweg in ihrem Verhalten ebenso unberechenbar wie vorher während des PMS.

»Sie sind eben im Präklimakterium«, erklärte mir der dynamische Herr im weißen Kittel, den ich wegen undefinierbaren Unwohlseins aufgesucht habe. »Damit müssen Sie leben.«

Ich starrte ihn mit großen Augen an. Er ordnete mich in die Kategorie »bildungsmäßig nicht ganz auf der Höhe« ein und übersetzte gütig: »Sie kommen in die Wechseljahre.«

Das ist jetzt fast zwölf Jahre her und von den Wechseljahren ist, außer den Hitzewallungen und Schweißausbrüchen letzten Sommer bei 40 Grad im Schatten, immer noch nichts zu spüren. Das »prä« zieht sich ganz schön lange hin. Vielleicht geht es ja gleich ins »post« über und ich werde von dem »peri« verschont bleiben.

Sie sehen, lieber Herr Doktor, ich habe auch mal Latein gelernt!

Dem Berufsstand dieser bis vor einigen Jahren ausschließlich männlichen Halbgötter in Weiß, vereint mit dem bärtigen Frauenhasser namens Freud, haben wir das Bild zu verdanken, das die Fernsehwerbung von uns Frauen zeichnet, und das auf diesem Weg schon den kleinsten Steppkes eingetrichtert wird.

Vor dem Massenmord an den Frauen, männlicherseits gern verniedlichend als Hexenverbrennung bezeichnet, existierte bis zum Mittelalter ein anderes Bild der Frau.

Da war sie noch dicht, die Frau, sowohl im Unterleib als auch im Kopf. Bis die Sauschneider², die bei Schweinen zwecks besseren Wachstums die Eierstöcke entfernten, die Aufgaben der ermordeten weisen Frauen übernahmen und zu Frauenärzten wurden.

[1]Leider kann ich den entsprechenden Artikel nicht mehr finden
[2] Jutta Voss: „Das Schwarzmondtabu“, ISBN-10: 3783109442

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